Der
Begriff "Demenz" leitet sich vom Lateinischen
ab (lat. demens = ohne Geist sein) und wurde bis Ende des
18. Jahrhunderts für jede Form geistiger Störung
verwendet (vgl. Möller, 1996, S. 169). Psychische Störungen,
die im Alter auftraten, wurden umgangssprachlich, aber auch
in der medizinischen Fachliteratur, als Greisenblödsinn
oder -schwachsinn, Verblödung oder senile Demenz bezeichnet
(vgl. Maurer, 2000, S. 274).
Im Jahr 1906 beschrieb der Arzt Alois Alzheimer (1864-1915)
erstmals das Krankheitsbild der sogenannten präsenilen
Demenz. Ihre Symptomatik entsprach der der senilen Demenz,
trat aber bezogen auf das Lebensalter wesentlich früher
auf. Noch zu Lebzeiten Alzheimers wurde diese Demenzform
mit dem Begriff "Alzheimerische Krankheit" betitelt
und in die medizinische Fachliteratur eingeführt. Etwa
ab 1936 setzte sich in der Medizin langsam die einheitliche
Krankheitsbenennung "Alzheimer-Krankheit" oder
"Alzheimer-Demenz" sowohl für die präsenilen
als auch die senilen Demenzformen durch (vgl. Maurer, 2000,
S. 276-280).
Heute wird umgangssprachlich immer noch pauschal von der
"Alzheimer-Krankheit" oder "dem Alzheimer"
gesprochen. In der medizinischen Fachwelt werden jedoch
verschiedene Krankheitsformen der Demenz unterschieden (vgl.
Kap. 3).
3.1
Definition
Demenz ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) "eine erworbene, globale Beeinträchtigung
der höheren Hirnfunktionen einschließlich des
Gedächtnisses, der Fähigkeit, Alltagsprobleme
zu lösen, der Ausführung sensomotorischer und
sozialer Fertigkeiten, der Sprache und Kommunikation sowie
der Kontrolle emotionaler Reaktionen ohne ausgeprägte
Bewusstseinstrübung" (zit. n. Gerber, 1994, S.
367).
Laut der 10. Revision der Internationalen Klassifikation
von Krankheiten (ICD-10) kann erst dann eine Demenz diagnostiziert
werden, wenn folgende Kriterien erfüllt sind (vgl.
Förstl, 2001a, S. 3):
1. Abnahme des Gedächtnisses, d.h. wenn die kognitive
Leistung eines Individuums, von einem früheren Niveau
aus betrachtet, gesunken ist.
2. Neben der Abnahme des Gedächtnisses muss mindestens
eine weitere intellektuelle Funktion (z.B. Urteilsfähigkeit,
Denkvermögen, Informationsverarbeitung) beeinträchtigt
sein.
Um die demenzspezifischen Störungen von anderen vorübergehenden
Leistungsbeeinträchtigungen abzugrenzen, wird im ICD-10
eine Mindestdauer der Symptomatik von 6 Monaten gefordert.
Außerdem darf erst dann von einer Demenz gesprochen
werden, wenn die Symptome so schwerwiegend sind, dass sie
zu einer eindeutigen Beeinträchtigung der Alltagsbewältigung
führen.
3.2
Symptomatik
Bei der dementiellen Erkrankung handelt es sich um ein Syndrom,
d.h. um einen Komplex unterschiedlicher Symptome. Die Symptome
treten im Einzelfall variabel auf und die Symptomatik der
Krankheit ist demnach interindividuell verschieden. I. Fuhrmann
bemerkt dazu: "Bis in späte Krankheitsphasen hinein
bleibt die individuelle Prägung der Symptomatik erhalten.
Ein einförmiges Demenzsyndrom findet sich, wenn überhaupt,
erst in den Endstadien. Bis dahin bleibt der einzelne Betroffene,
bleiben seine Eigenschaften für das Erscheinungsbild
der Krankheit prägend. Die dementielle Erkrankung hat
also bis zum Schluss in jedem Einzelfall ein sehr persönliches
und unverwechselbar geprägtes Erscheinungsbild."
(zit. n. Breidert, 2000, S. 19f.).
Zu den charakteristischen Symptomen des Demenzsyndroms zählen
Störungen des Gedächtnisses, der Orientierung
(zeitliche, räumliche, personelle und situative), der
Wahrnehmung, intellektueller Funktionen, der Urteilsfähigkeit,
der Entscheidungsfähigkeit und der Impulskontrolle.
Hinzu kommen Verhaltensänderungen und Persönlichkeitsveränderungen,
wie z.B. der soziale Rückzug, depressive Stimmung,
Ängstlichkeit, Apathie, Aggressivität oder körperliche
Unruhe. Sie resultieren wahrscheinlich als indirekte Folge
aus der neurologischen Beeinträchtigung (vgl. Möller,
1996, S. 172f.). Es wird jedoch auch der Standpunkt vertreten,
dass diese Veränderungen zu einem guten Teil das Resultat
einer inadäquaten Betreuung der Demenzerkrankten ist
(vgl. Kitwood, 2000, S. 74; Wojnar, 2001b, S. 42; Müller-Hergel,
2001b).
Im Krankheitsverlauf kommt es außerdem häufig
zur Beeinträchtigung von Sprachvermögen und Sprachverständnis
(Aphasie), zur Unfähigkeit, Gegenstände und Personen
wiederzuerkennen (Agnosie) oder komplexe Handlungsabläufe
durchzuführen (Apraxie). Daneben können Lese-,
Schreib- und Rechenstörungen (Alexie, Agraphie und
Acalculie) auftreten (vgl. Möller, 1996, S. 172).
3.3
Verlaufsstadien
Abhängig vom Ausprägungsgrad der Krankheitssymptome
und der damit zusammenhängenden Hilfsbedürftigkeit
des dementiell Erkrankten wird der Verlauf einer Demenzerkrankung
in Stadien eingeteilt. Die Kriterien für den Schweregrad
einer Demenz nach DMS-III-R lauten folgendermaßen:
"Leicht
Obwohl Arbeit und soziale Aktivitäten deutlich beeinträchtigt
sind, bleibt die Fähigkeit erhalten, unabhängig
zu leben, mit entsprechender persönlicher Hygiene und
intaktem Urteilsvermögen.
Mittel
Eine selbständige Lebensführung ist nur mit Schwierigkeiten
möglich und ein gewisses Ausmaß an Aufsicht erforderlich.
Schwer
Die Aktivitäten des täglichen Lebens sind derart
beeinträchtigt, dass eine kontinuierliche Aufsicht
benötigt wird, z. B. besteht die Unfähigkeit,
minimale persönliche Hygiene aufrecht zu erhalten,
es besteht weitgehende Inkohärenz oder Mutismus."
(Hexal-Lexikon Geriatrie, 1997, S. 105)
Nach
ICD-10 erfolgt die Einteilung ebenfalls in drei Stadien,
die zum einen die Alltagsaktivitäten berücksichtigen
und denen des DMS-III-R weitestgehend entsprechen. Zum anderen
fliessen nach ICD-10 zusätzlich insbesondere Gedächtnisleistungen
in die Stadiendefinition ein. Diese sollen hier der Vollständigkeit
halber noch aufgeführt werden:
"Leicht
Herabgesetztes Lernen neuen Materials; z. B. Verlegen von
Gegenständen, Vergessen von Verabredungen und neuer
Informationen
Mittelgradig
Nur gut gelerntes und vertrautes Material wird behalten;
neue Informationen werden nur gelegentlich und sehr kurz
erinnert; Patienten sind unfähig, grundlegende Informationen
darüber, wie, wo sie leben, was sie bis vor kurzem
getan haben, oder Namen vertrauter Personen zu erinnern
Schwer
Schwerer Gedächtnisverlust und Unfähigkeit, neue
Informationen zu behalten; nur Fragmente von früher
Gelerntem bleiben erhalten; selbst enge Verwandte werden
nicht mehr erkannt" (Förstl, 2001, S. 4).
Darüber
hinaus existieren weitere und teilweise sehr detaillierte
Einteilungen zum Krankheitsverlauf der Demenz, die sich
allerdings größtenteils an den gleichen Kriterien
orientieren wie DMS-III-R oder ICD-10. Eine häufig
verwendete Gliederung ist die nach Reisberg et al., die
in sieben Stadien unterteilt, die Hauptkategorien Vergesslichkeit,
Verwirrtheit und Demenz berücksichtigt und sich insbesondere
für die Einteilung nach klinischen Aspekten eignet
(vgl. Möller, 1996, S. 174f.).
Dabei ist für alle Definitionen zu beachten, dass die
Stadien, obwohl sie meist die zeitliche Abfolge im Verlauf
der Erkrankung wiederspiegeln, nicht zwangsläufig als
Sequenz durchlebt werden. Sowohl das Überspringen von
Stadien als auch die lange zeitliche Stabilität in
einzelnen Stadien kommen vor. Selten tritt auch eine Verbesserung
des Krankheitsbilds im Sinne einer Entwicklung hin zu früheren
Stadien auf (vgl. Förstl, 2001b, S. 221).
Insbesondere bei sekundären Demenzen ist darüber
hinaus eine Reversibilität erreichbar, die im Einzelfall
eine deutliche Verbesserung des Krankheitsbildes ermöglicht,
wenn die Grunderkrankung erfolgreich therapiert werden kann
(vgl. Kap. 3.7).
3.4
Diagnose
Als erstes liefert vor allem eine sorgfältige Anamnese,
die einen Schwerpunkt insbesondere auf die Fremdanamnese
(z. B. Angehörige) legt, oft die entscheidenden Hinweise
für die Diagnose (vgl. Lehmann, 1997a, S. 23f.).
Die Diagnostik unterscheidet das Erfassen des Syndroms Demenz
und dessen genauere Differenzierung nach Ursache und Fortschritt
(vgl. Förstl, 2001b, S. 221). Hierzu wird zusätzlich
zur klinischen Untersuchung meist eine apparative Diagnostik
durchgeführt, die z. B. laborchemische Blutuntersuchungen
oder auch die Darstellung des Gehirns mit bildgebenden Verfahren
umfassen kann (vgl. Lehmann, 1997a, S. 24). Vor allem zur
genaueren Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten kommen
zusätzlich spezielle psychometrische Tests zur Anwendung,
die eine Einstufung des Schweregrads und im weiteren Verlauf
auch eine Dokumentation des Krankheitsfortschritts zulassen.
Einer der am häufigsten eingesetzten Tests ist der
MMSE (Mini-Mental-State-Examination) von Folstein, der kognitive
Defizite misst und bei positivem Ergebnis die klinische
Diagnose einer Demenz bestätigt. Weitere Tests sind
z. B. der C.I. (Cerebrale Insuffizienz) - Test, der vor
allem Auffassungsgeschwindigkeit bestimmt, oder der SKT
(Syndrom Kurz Test), der die Leistung von Gedächtnis
und Aufmerksamkeit misst. Die als Diagnosekriterium häufig
geforderte Einschränkung der Fähigkeit zur Alltagsbewältigung
lässt sich am ehesten durch Fremdbeurteilung feststellen.
Dazu eignen sich Beurteilungsskalen wie zum Beispiel die
Nürnberger-Alters-Beobachtungsskala (NAB), die Alltagskompetenz
und Hilfsbedürftigkeit bewertet (vgl. Lehmann, 1997b,
S. 25-27).
Eine sorgfältige Diagnostik ist vor allem deshalb angezeigt,
weil die Verwechslung der Demenz mit anderen Krankheiten,
die eine ähnliche Symptomatik zeigen, relativ häufig
ist. Dies betrifft vor allem die Depression, die eine demenzähnliche
Ausprägung zeigen kann (Pseudodemenz). Die Rate, mit
der Demenz und Depression wechselseitig falsch diagnostiziert
wird, beträgt bis zu 20%, was für die Betroffenen
vor allem dann schwerwiegende Folgen haben kann, wenn ihnen
aufgrund der Fehldiagnose "Demenz" die notwendigen
Medikamente zur Therapie einer Depression vorenthalten werden
(vgl. Egidius, 1997, Kap. II. 3.3.3).
Fehldiagnosen können außerdem im Zusammenhang
mit Verwirrtheitszuständen (bzw. Delir) vorkommen,
weil auch hier die Symptomatik der einer Demenz ähnlich
sein kann (vgl. Staudinger, 2001, S. 158-160).
3.5
Ätiologie
Je nachdem, ob die Demenzerkrankung isoliert auftritt oder
ob sie Folge einer anderen Erkrankung ist, unterscheidet
man die primäre von der sekundären Demenz.
Primäre Demenzen machen den größten Anteil
der dementiellen Erkrankungen (ca. 65 - 90 %) aus. Ihnen
liegt ein pathologischer Abbauprozess des Gehirns zugrunde.
In dieser Gruppe bilden die sogenannten degenerativen Erkrankungen
wie die senile Demenz vom Alzheimer-Typ, Picksche Erkrankung,
Chorea Huntington oder Parkinson-Syndrom die größte
Untergruppe (ca. 55-75%), wobei die Alzheimer-Demenz den
überwiegenden Anteil zu dieser Untergruppe beiträgt
(ca. 45-60% ). Mischformen kommen vor (ca. 10-20%) und sind
überwiegend Kombinationen aus degenerativen Demenzformen
und vaskulären Demenzen (vgl. Möller, 1996, S.
170).
Sekundär sind ca. 15-25% aller Demenzerkrankungen.
Als Verursacher kommen Grunderkrankungen unterschiedlichster
Genese in Frage, wobei die vaskulären Demenzen den
größten Anteil ausmachen (Haberl, 2001, S. 63-65).
Prinzipiell kann jede Erkrankung, die in irgendeiner Weise
die Hirnfunktion in Mitleidenschaft zieht, auch eine sekundäre
Demenz hervorrufen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass
praktisch keine der möglichen Grundkrankheiten unweigerlich
eine Demenz zur Folge haben muss. Sowohl die interindividuelle
als auch die intraindividuelle Variabilität erreicht
hier eine Größenordnung, die eine Voraussage
über die dementiellen Auswirkungen einer bestimmten
Grunderkrankung im Einzelfall unmöglich werden lässt.
Zusätzlich führt die häufig mit fortschreitendem
Alter auftretende Multimorbidität der Betroffenen dazu,
dass ein Zusammenhang zwischen Demenzerkrankung und einer
spezifischen Grunderkrankung nicht mehr herzustellen ist
(vgl. Förstl, 2001b, S. 226-229).
Abbildung 3 stellt die schematische Verteilung der unterschiedlichen
Demenzformen dar. Die am häufigsten auftretenden Kategorien
sind durch die Unterlegung mit einem kräftigeren Farbton
gekennzeichnet.
Abbildung 3: Verteilung von Demenzformen
3.6
Häufige Krankheitsbilder
Da die Alzheimer-Demenz und die vaskuläre Demenz den
überwiegenden Anteil der Demenzen ausmachen (ca. 60-90%
aller Demenzerkrankungen), sollen sie im Folgenden etwas
genauer erläutert werden.
3.6.1 Alzheimer-Demenz
Die häufigsten Synonyme für die Alzheimer-Demenz
sind: Demenz vom Alzheimer-Typ, Alzheimer-Krankheit, Morbus
Alzheimer und präsenile/senile Demenz (vgl. Förstl,
2001c, S. 43). Von der Alzheimer-Demenz sind bis zum Alter
von 70 Jahren Frauen relativ selten betroffen, danach steigt
die Inzidenz jedoch rapide an, so dass die Prävalenz
in höheren Altersklassen bei Frauen ungefähr doppelt
so hoch ist, wie die der Männer, obwohl bei diesen
die Inzidenz mit steigendem Alter linear zunimmt (vgl. Rödder,
1997, S. 30).
Der Anteil der Alzheimer-Demenz beträgt ca. 65% aller
Demenzen. Da allerdings viele Mischformen mit für Alzheimer
typischen Veränderungen im Gehirn einhergehen, wird
angenommen, dass bis zu 95% aller dementiellen Erkrankungen
Formen von Alzheimer-Veränderungen zugrunde liegen
können (vgl. Möller, 1996, S. 170).
Man unterscheidet zwei Formen von Alzheimer-Demenz. Als
sogenannte frühe oder präsenile Form bezeichnet
man die Alzheimer-Demenz, wenn der Erkrankungsbeginn vor
dem 65. Lebensjahr liegt, bei späterem Erkrankungseintritt
spricht man von der späten oder senilen Form (vgl.
Förstl, 2001c, S. 43f.).
Ursachen
Als einzige nachgewiesene Ursache lassen sich bestimmte
Genloci benennen, wobei allerdings unklar ist, wodurch die
entsprechende Mutation entsteht. Bekannt sind bisher über
50 Mutationen im Bereich des Präsenilin-1-Gens (Chromosom
14) und Präsenilin-2-Gens (Chromosom 1). Sehr häufig
finden sich außerdem Mutationen im Gen für das
Amyloidvorläuferprotein (Amyloid-Präkursorprotein,
APP) auf Chromosom 21. Alle Mutationen fördern die
Bildung von sogenanntem Beta-Amyloid, welches toxische Eigenschaften
hat und ein Grundbaustein der morphologisch nachweisbaren
Alzheimer-Plaques ist. Werden die entsprechenden genetischen
Veränderungen nachgewiesen, so kommt es zu einer familiären
Häufung insbesondere der präsenilen Alzheimer-Demenz
(vgl. Förstl, 2001c, S. 51-53).
Zusätzlich werden noch vielfältige Ursachen für
eine Alzheimer-Demenz postuliert, denen aber bislang ausnahmslos
der wissenschaftliche Beweis einer Kausalität fehlt.
Dies sind z. B. Vergiftungen (Aluminium, Blei), Intoxikationen
(Medikamente), Infektionserkrankungen (AIDS, Lues) oder
Störungen im Autoimmunsystem. Allgemein wird eher eine
multifaktorielle Genese der Erkrankung angenommen (vgl.
Möller, 1996, S. 182).
Relativ neu sind Erkenntnisse, die eine Prädisposition
zur Alzheimer-Demenz durch psychosoziale Faktoren möglich
scheinen lassen. Bauer et al. finden in einer Untersuchung
einen Zusammenhang zwischen der Alzheimer-Demenz und prämorbiden
Persönlichkeitsmerkmalen, Beziehungsmustern und Lebenssituationen
(vgl. Egidius, 1997, Kap. II. 3.5.1.2). Andere Studien zeigen,
dass psychosoziale Faktoren wie z. B. psychischer Stress,
Inaktivität oder reizarme Umgebung neurodegenerative
Veränderungen im Gehirn hervorrufen können (vgl.
Kitwood, 2000, S. 96f.).
Merkmale
Morphologische Merkmale der Alzheimer-Demenz sind zum einen
eine diffuse Atrophie der Hirnrinde (Cortex), die mit einem
Verlust von Neuronen und synaptischen Verbindungen einhergeht
und zum anderen die mikroskopisch sichtbaren spezifischen
Veränderungen in Form von "senilen Plaques"
und "Neurofibrillen" (vgl. Kitwood, 2000, S. 44).
Senile Plaques haben Beta-Amyloid als Grundbaustein, welches
extrazellulär in der Großhirnrinde abgelagert
wird und durch seine toxische Wirkung einen Neuronenverlust
und die Degeneration von Nervengewebe hervorruft. Der hauptsächliche
Bestandteil der Neurofibrillen ist ein pathologisch verändertes
Transporteiweiß (Tau-Protein), welches eine helikale
Struktur aufweist und ebenfalls in der Großhirnrinde
abgelagert wird (vgl. Förstl, 2001c, S. 53f.).
Die Dichte beider Ablagerungen nimmt im zeitlichen Verlauf
der Alzheimer-Demenz zu und gibt Hinweise darauf, ob es
sich überhaupt um den Alzheimer-Typ der Demenz handelt.
Beide Ablagerungen sind zumeist schon Jahre vor Ausbruch
der Erkrankung nachweisbar, eine Alzheimer-Demenz entwickelt
sich aber nur bei massiver Häufung der Ablagerungen.
Die Größe des Verlusts von Neuronen korreliert
mit dem klinischen Schweregrad der Erkrankung (vgl. Förstl,
2001c, S. 56).
Trotz allem ist bis heute unklar, wie die Schädigung
im Zusammenhang mit den Ablagerungen zustande kommt. Sowohl
Plaques als auch Neurofibrillen werden ebenfalls bei anderen
Demenzerkrankungen gefunden und kommen außerdem auch
bei alten Menschen vor, die nicht an Hirnfunktionsstörungen
leiden. Auf Grund dieser Tatsache ist die Diagnose "Alzheimer-Demenz",
nicht nur klinisch oft schwierig zu stellen, sondern häufig
auch postmortal, selbst morphologisch, nicht eindeutig zu
sichern (vgl. Kitwood, 2000, S. 47f.).
Biochemische Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten
können ebenfalls nachgewiesen werden. Dies sind besonders
Verschiebungen in der Konzentration von Neurotransmittern.
So liegt z.B. Acetylcholin (ACH) häufig in zu geringen
Mengen vor. Gemeinsam mit Veränderungen von Enzymaktivitäten
oder dem Mangelangebot von Substraten für Stoffwechselketten
(Glucose, Sauerstoff) führt dies zu einer Störung
der Kommunikation von Neuronen untereinander (vgl. Rödder,
1997, S. 29).
Insgesamt betrachtet sind sowohl die Ätiologie als
auch die Pathogenetik, die dem klinischen Bild der Alzheimer-Demenz
zugrunde liegen, bisher weitestgehend ungeklärt.
Diagnose
Aufgrund des oben beschriebenen Sachverhalts muss die medizinische
Diagnose einer dementiellen Erkrankung als Alzheimer-Demenz
bislang eine Ausschlussdiagnose bleiben, bei der beim Vorliegen
von allgemeinen Kriterien für Demenz (vgl. Kap. 3.1)
keine Hinweise auf andere Ursachen der Demenz vorliegen
dürfen (ICD-10). Erst eine postmortale Untersuchung
des Gehirns kann diese Diagnose relativ sicher bestätigen,
wobei auch dies, wie schon beschrieben, keine absolute Sicherheit
für die Richtigkeit der Diagnose bedeutet.
Krankheitsverlauf
und Symptomatik
Typisch ist der schleichende Krankheitsbeginn, der von der
zunehmenden Gedächtnisstörung geprägt ist,
die in diesem Stadium auch das klinische Bild der Erkrankung
dominiert. Im Krankheitsverlauf kommt es zu einer langsamen
Verschlechterung des Zustands und einer sukzessiven Abnahme
von kognitiven Fähigkeiten. Die Symptomatik entspricht
der des Demenzsyndroms (vgl. Kap. 3.2) und ist wie der Verlauf
interindividuell sehr variabel. Die Krankheitsdauer beträgt
im allgemeinen nach Diagnosestellung 5-8 Jahre und kann
im Einzelfall deutlich davon abweichen. Die neurodegenerativen
Prozesse, die der Alzheimer-Demenz zugrunde liegen, führen
nicht zum Tode des Erkrankten, allerdings versterben die
Patienten mit fortschreitender Krankheitsdauer an den zunehmenden
Begleiterkrankungen wie z.B. Lungenentzündungen, die
auf sekundäre Ursachen wie Hospitalisation, Inaktivität
oder Bettlägerigkeit im Rahmen der Alzheimer-Demenz
zurückzuführen sind (vgl. Förstl, 2001c,
S. 46-49).
3.6.2 Vaskuläre Demenz
Es existieren keine Synonyme für die vaskuläre
Demenz, es ist jedoch zu beachten, dass aufgrund der Heterogenität
des Krankheitsbilds eine Vielzahl an spezifischen Untergruppen
oder Erscheinungsbildern beschrieben werden kann. So erfolgt
die Benennung entweder nach der Ursache (Chronisch Zerebrovaskuläre
Insuffizienz, Multiinfarktdemenz, Multiinfarktenzephalopathie),
nach dem makroskopischen (Dementia Lacunaris) oder mikroskopischen
(Dementia Arteriosclerotica, Microvaskuläre Enzephalopathie)
Erscheinungsbild, der topographischen Lokalisation (Subcorticale
Arteriosklerotische Enzephalopathie) oder auch nach dem
Erstbeschreiber bestimmter Formen (Morbus Biswanger). Alle
genannten Begriffe werden teilweise synonym verwendet, es
sollte aber richtigerweise ausschließlich der Begriff
"vaskuläre Demenz" gebraucht werden, der
als einziger umfassender Oberbegriff die Gruppe der Demenzen
vaskulärer Genese gleichzeitig auch ätiologisch
korrekt beschreibt (vgl. Haberl, 2001, S. 63). Von der vaskulären
Demenz sind Männer häufiger betroffen als Frauen,
wobei bei beiden Geschlechtern die Prävalenz mit fortschreitendem
Alter zunimmt (vgl. Haberl, 2001, S. 65).
In Westeuropa entstehen wahrscheinlich ca. 15%-25% aller
Demenzen aufgrund einer vaskulären Ursache (vgl. Möller,
1996, S. 170). Allerdings ist hier ähnlich wie bei
der Alzheimer-Demenz eine genaue Abgrenzung wegen der oft
vorkommenden Mischformen und der sich mit zunehmenden Alter
prinzipiell verschlechternden zerebralen Durchblutung schwierig,
und die Angabe des Anteils der vaskulären Demenz an
allen Demenzformen variiert daher je nach Quelle sehr stark.
Ursachen
Ursachen für die vaskuläre Demenz sind Erkrankungen
bzw. Veränderungen der das Gehirn versorgenden Blutgefäße,
wobei hier degenerative Gefäßläsionen und
damit einhergehende Versorgungsinsuffizienzen im Vordergrund
stehen. Hier spricht man, je nachdem ob primär große
zuführende Arterien oder eher kleine Arteriolen und
Kapillaren betroffen sind, von einer makro- oder mikroangiopathischen
Genese. Typischer Verursacher einer auch das Gehirn betreffenden
Makroangiopathie ist zum Beispiel der Bluthochdruck. Dagegen
verursacht der mit steigendem Alter häufiger vorkommende
Diabetes Mellitus zuerst überwiegend mikroangiopathische
Veränderungen. Dazu kommen spezifische Gefäßerkrankungen
(Vaskulitiden), die sowohl die großen als auch die
kleinen Gefäße betreffen können. Zusätzlich
kommen in mittelgroßen und kleinen Gefäßen,
insbesondere bei spezifischen kardialen Vorerkrankungen,
emboliforme Verschlüsse vor, die dann typischerweise
das Bild der Multiinfarktdemenz hervorrufen. Weitere gefäßschädigende
Faktoren sind z.B. die Hyperlipidämie und das Rauchen
(vgl. Haberl, 2001, S. 65-74).
Merkmale
Morphologische Merkmale der vaskulären Demenz sind
die mit bildgebenden Verfahren darstellbaren Läsionen
im Gehirn, wie sie insbesondere durch Blutungen oder Ischämien
hervorgerufen werden. Klinische Merkmale der vaskulär
bedingten Demenz sind insbesondere das plötzliche Auftreten
von kognitiven Störungen im zeitlichen Zusammenhang
mit zerebrovaskulären Erkrankungen und ein schubförmiger
Verlauf (vgl. Haberl, 2001, S. 66).
Diagnose
Die Diagnosestellung der Demenz an sich unterscheidet sich
nicht von der, wie sie schon in Kapitel 3.4 beschrieben
wurde. Starke Hinweise auf eine vaskuläre Genese geben
insbesondere die Koinzidenz mit neuaufgetretenen neurologischen
Symptomen und deren Ausprägung im Sinne einer Herdsymptomatik
(z.B. Schlaganfall) (vgl. Möller, 1996, S. 193).
Krankheitsverlauf
und Symptomatik
Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz ist der Krankheitseintritt
der vaskulären Demenz häufig sehr abrupt. Im Anschluss
daran ist ihre Ausprägung im zeitlichen Verlauf jedoch
sehr schwankend. Phasen der Krankheitsverschlechterung können
sich mit Phasen der Stagnation oder auch der Verbesserung
der Krankheitsausprägung abwechseln. Zudem steht zu
Krankheitsbeginn der Gedächtnisverlust oft nicht im
Vordergrund, das Krankheitsbild wird hier eher durch die
neurologische Symptomatik geprägt. Aufgrund des damit
verbundenen längerandauernden bewussten Erlebens des
Krankheitsfortschritts kommt es bei der vaskulären
Demenz häufig zu reaktiven Depressionen. Typische Symptome
sind außerdem das Auftreten von nächtlichen Verwirrtheitszuständen
oder paranoid-halluzinatorischen Episoden. Der Krankheitsverlauf
zeigt eine eher stufenförmige Verschlechterung der
kognitiven Leistungen bei einer im Vergleich zur Alzheimer-Demenz
insgesamt kürzeren Lebensdauer (vgl. Möller, 1996,
S. 193-195).
Im weiteren Verlauf ist die vaskuläre Demenz jedoch
zunehmend schwieriger von der Alzheimer-Demenz zu unterscheiden
und kann in späteren Stadien oft nur noch morphologisch
von dieser abgegrenzt werden (vgl. Haberl, 2001, S. 77f.).
3.7
Medikamentöse Therapie
Primäre Demenz
Die medikamentöse Therapie zielt aufgrund des infausten
Krankheitsverlaufs vor allem auf eine Linderung der Symptome
(Palliation) und eine Verzögerung des Fortschreitens
ab. Zusätzlich zu einer Basistherapie, die die Wahrung
der Homöostase zur Aufgabe hat (z. B. Blutzuckereinstellung,
Elektrolytsubstitution), kommt eine spezifische Therapie
des kognitiven Kernsyndroms mit Psychopharmaka (Nootropika)
und der Versuch der Progressionsverzögerung mit neuroprotektiven
Substanzen. Während die Therapie von psychomotorischen
Unruhezuständen mit Neuroleptika aufgrund der damit
einhergehenden starken Verschlechterung des gesamten Krankheitsbilds
oft keine befriedigenden Ergebnisse zeigt, ist die Therapie
der depressiven Komponente immer einen Versuch wert, der
häufig mit einer deutlichen Verbesserung des Gesamtzustands
einher geht (vgl. Gutzmann, 2001a, S. 241-253).
Sekundäre
Demenz
Die medikamentöse Therapie beinhaltet alle für
die primäre Demenz aufgeführten Substanzklassen.
Ihr vorangestellt muss eine adäquate Therapie der Grundkrankheit
erfolgen (z. B Blutzuckereinstellung oder Blutdrucksenkung).
Ist diese erfolgreich, so ist eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs
möglich (vgl. Gutzmann, 2001a, S. 241f.). Von noch
größerer Bedeutung ist die medikamentöse
Therapie bei behandelbaren Demenzformen. In etwa 10-17%
der sekundären Demenzen ist eine vollständige
Heilung möglich (vgl. Egidius, 1997, Kap. II. 3.6).
3.8
Nichtmedikamentöse Therapie
Bei allen Demenzformen ist die psychosoziale Therapie der
Betroffenen ein unverzichtbarer Bestandteil des Therapiekonzepts,
der insbesondere für den Krankheitsverlauf und die
Lebensqualität ausschlaggebend ist (vgl. Gutzmann,
2001a, S. 242f.). Darauf wird in Kapitel 5 im Detail eingegangen.