7.1
Fragestellung
Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien zeigt, dass
die praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten positive
Auswirkungen haben kann (vgl. Kap. 5), die sich unter anderem
im gesteigerten Wohlbefinden der dementen Menschen und der
höheren Arbeitszufriedenheit der Betreuenden, z.B.
des Pflegepersonals in Altenheimen, wiederspiegeln kann.
Im empirischen Teil dieser Arbeit soll überprüft
werden, ob und wie Betreuungskonzepte für demente Menschen
angewendet werden und ob sich die erwähnten Effekte
nachweisen lassen.
Dazu
werden die folgenden Hypothesen formuliert:
1. Die praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten für
demente Menschen in Altenheimen steigert das Wohlbefinden
der Betroffenen.
2. Die praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten für
demente Menschen in Altenheimen steigert die Arbeitszufriedenheit
des Pflegepersonals.
Weiterhin
sollen in Bezug auf das Pflegepersonal drei Fragen beantwortet
werden:
· Wie ist die Einstellung zur Krankheit "Demenz"
und zum Menschen, der an einer Demenzerkrankung leidet?
· Wie wird die Arbeit mit dementen Menschen erlebt
und wie sind die äußeren Arbeitsbedingungen gestaltet?
· Welche Betreuungskonzepte sind bekannt und werden
sie umgesetzt?
7.2
Methodik
Die formulierten Hypothesen sollen auf ihre Richtigkeit
überprüft werden. Einerseits soll untersucht werden,
ob sich im Vergleich von Gruppen, in denen Betreuungskonzepte
angewendet werden, mit solchen, in denen dies nicht der
Fall ist, Unterschiede für das Wohlbefinden der dementen
Menschen und die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals
finden lassen. Andererseits soll geprüft werden, ob
dies mit der Anwendung von Betreuungskonzepten korreliert.
7.2.1 Datenerhebung
7.2.1.1 Stichprobe
Die Grundgesamtheit umfasst theoretisch alle Pflegekräfte
in Deutschland, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung
verfügen. Exemplarisch werden als Stichprobe alle Altenheime
in Marburg ausgewählt. In diesen wird dann jeweils
eine Vollerhebung der Personen mit abgeschlossener Pflegeausbildung
und aller Heimleiter/innen durchgeführt.
Für diese, durch zeitliche, personelle und finanzielle
Rahmenbedingungen sozusagen "zwangsläufig"
entstandene "Stichprobe", lassen sich verschiedene
Gütekriterien der Auswahl ableiten. Sieht man die gegebene
Stichprobe in Bezug auf die Grundgesamtheit in Deutschland
tätiger Pflegekräfte, so stellt die Auswahl eine
"willkürliche Auswahl" dar. Hier liegt die
Aufnahme in die Stichprobe allein im Ermessen des Auswählenden,
wobei weder die Grundgesamtheit eindeutig (mengenmäßig)
definiert ist, noch die Auswahlwahrscheinlichkeit für
einzelne Probanden berechenbar ist, was auch hier dazu führt,
dass "willkürliche Auswahlen für wissenschaftliche
Zwecke fast immer wertlos" sind (Schnell et al., 1999,
S. 277). Man kann zwar argumentieren, dass es sich um eine
"bewusste Auswahl" handelt, da ein Auswahlplan
zugrunde liegt, dessen Kriterien nachvollziehbar und überprüfbar
sind, allerdings sind auch hier inferenzstatistische Techniken,
wie sie in der Fragestellung formuliert wurden, schwer anwendbar
(vgl. Schnell et al., 1999, S. 278). Nach Wilfried Laatz
könnte man hier wohlwollend auch von einer "nicht
repräsentativen Teilerhebung" sprechen, zu der
angemerkt wird: "Es heißt aber nicht, dass deswegen
das Ziel und die Möglichkeit einer Verallgemeinerung
der Befunde aufgegeben würden." (Laatz, 1993,
S. 422). Hier läge dann eine Teilerhebung nach dem
Konzentrationsprinzip vor (vgl. Laatz, 1993, S. 422). Ehrlicherweise
muss jedoch zugegeben werden, dass aber auch hier die getroffenen
Aussagen "elementaren Regeln wissenschaftlicher Arbeit
nicht." (Schnell et al., 1999, S. 278) genügen.
Beschränkt man sich auf die vorgegebene Auswahl "alle
Altenheime in Marburg", so hat man aufgrund des Einschlusses
aller Pflegekräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung
und Heimleitungen jedoch eine Vollerhebung für die
Stadt Marburg vorliegen. Da hier eine inhomogene Grundgesamtheit
vorliegt, auf die Rückschlüsse gezogen werden
sollen, ist die Vollerhebung in diesem Fall tatsächlich
die ideale Methode (vgl. Laatz, 1993, S. 422). Es wird zwar
angeführt, dass Ergebnisse von Stichproben (also Teilerhebungen)
genauer sein können als Vollerhebungen, da vor allem
Untersucher- und Datenfehler in der Teilerhebung besser
kontrolliert werden können (vgl. Laatz, 1993, S. 421;
Schnell et al., 1999, S. 251). Trotzdem wiegen die sowohl
von Laatz (1993) als auch von Schnell et al. (1999) genannten
Vorteile einer Vollerhebung deutlich schwerer:
· Die Aufbereitung der Daten ist bis in die tiefste
Gliederung hinein sinnvoll.
· "Parameter" wie z. B. der Mittelwert
sind bekannt und müssen nicht aus der Stichprobenstatistik
geschätzt werden.
· Eine Zufallsabweichung durch zufällige Fehler
existiert nicht.
Aufgrund
des dargestellten Sachverhalts sollen die Ergebnisse dieser
Untersuchung als für Marburg repräsentativ angesehen
und über ihre Übertragbarkeit auf andere Städte
nicht spekuliert werden.
7.2.1.2 Datensammlung
Die Datensammlung erfolgte anhand einer schriftlichen Befragung
mittels eines vorgegebenen standardisierten Fragebogens,
der in Form einer Likert-Skala aufgebaut war.
Darin wurde das Pflegepersonal sowohl zur eigenen Situation
als auch zur Einschätzung der Situation der von ihnen
betreuten dementen Personen befragt.
Die schriftliche Befragung bietet gegenüber anderen
Methoden der Datenerhebung folgende Vorteile:
Wenn die Befragten den Zeitpunkt für das Ausfüllen
des Fragebogens selbst bestimmen, sind sie in einem höheren
Maß motiviert und konzentriert. Die Befragten stehen
nicht unter Zeitdruck, wie es in einer Interviewsituation
der Fall sein kann, sondern haben die Möglichkeit,
die Fragen in Ruhe zu durchdenken. Außerdem ist bei
der schriftlichen Befragung die Zusicherung von Anonymität
glaubwürdiger, und es ist zu erwarten, dass die Antworten
der Befragten ehrlicher ausfallen.
Auch Interviewereffekte können durch eine schriftliche
Befragung vermieden werden, da Merkmale und Verhalten des
Interviewers keinen Einfluss auf die Beantwortung der Fragen
haben. Weitere Vorteile der schriftlichen Befragung sind
der relativ geringe allgemeine Aufwand und die niedrigen
Kosten (vgl. Schnell, 1999, S. 335).
7.2.1.3 Fragebogenkonstruktion
Fragebogen Pflegepersonal
Dieser Fragebogen gliedert sich in verschiedene Subsets:
a)
Einstellung des Pflegepersonals zur Krankheit Demenz.
Hier wurden drei Fragen formuliert (1,5,7), in denen vor
allem die emotionale Einstellung zur Krankheit Demenz erfragt
wurde. Für die Auswertung galt die Grundaussage: "Demenz
ist für die Betroffenen keine verheerende Katastrophe'
(vgl. Kitwood, S. 97)". Die Fragen 1 und 5 sind daher
negativ gepolt.
1) Demenz ist eine unheilbare Krankheit, deren Fortschreiten
nicht aufzuhalten ist.
5) Die Vorstellung, im Alter selbst dement zu werden, macht
mir Angst.
7) Trotz Demenz ist das Leben lebenswert.
Eine
negative Grundeinstellung zur Erkrankung Demenz an sich
wurde von T. Kitwood sehr bezeichnend beschrieben: "Demenz
ist ein 'Tod, der den Körper zurücklässt'."
(Kitwood 2000, S. 20). Seiner Meinung nach ist eine auf
die Grundversorgung reduzierte Pflege die Folge einer solchen
"deterministischen" Sichtweise, welche wiederum
zu einer Verschlechterung des Zustands der dementen Menschen
beiträgt (vgl. Kitwood, 2000, S. 196).
b)
Im nächsten Subset waren die Fragen enthalten, die
die Einstellung des Pflegepersonals zu demenzerkrankten
Menschen erfassten (2, 3, 4, 6, 16, 48). Diese Fragen waren
im Unterschied zu denen im Subset a) im direkten Bezug auf
demente Menschen formuliert. Die Grundaussage lautete hier:
" Demente Menschen können am Leben teilnehmen."
Die Fragen 3, 4, 16, 48 sind daher negativ gepolt.
2) Demente Menschen haben großes Interesse an den
Beschäftigungsangeboten.
3) Demente Menschen nehmen die reale Welt nicht mehr wahr.
4) Mit dementen Menschen im fortgeschrittenen Stadium ist
Kommunikation so gut wie gar nicht möglich.
6) Das Verhalten von dementen Menschen ist gut nachvollziehbar.
16) Engeren Körperkontakt mit den dementen Heimbewohnern
empfinde ich als
unangenehm.
48) Der überwiegende Anteil der dementen Menschen kann
ohne beruhigende
Medikamente schlecht zurechtkommen.
Die
Einstellung gegenüber Demenzerkrankten meint in diesem
Zusammenhang wiederum vor allem die emotionale Einstellung.
Diese Einstellung, die in ihrer positiven Ausprägung
die Person als einzigartig erachtet und die Erhaltung des
"Personseins" zum Ziel hat (vgl. Kitwood, 2000,
S. 194) bzw. die Wiederherstellung der Würde und des
Selbstwertgefühls verfolgt (vgl. Feil, 2000 S. 11),
führt nach beiden Theorien sowohl zur Verbesserung
des Befindens der dementen Menschen als auch zu einer Zunahme
der Zufriedenheit des Pflegepersonals. Laut Kitwood hängt
die Entwicklung einer Demenz "ganz entscheidend von
der Qualität der Pflege ab" (Kitwood, 2000, S.
194). Werden emotionale Bedürfnisse dementer Menschen
durch das Pflegepersonal negiert, so führt dies zu
inhumaner Betreuung, zur "Verurteilung zum 'sozialen
Tod'." (Kitwood 2000, S.196). Feil vertritt mit einer
ähnlich prägnanten Formulierung die gleiche These:
"Ohne Stimulierung von außen werden sie zu den
lebenden Toten in unseren Pflegeheimen." (Feil, 2000,
S. 21).
c)
In diesem Subset wurde die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals
im Zusammenhang mit der Betreuung von dementen Menschen
ermittelt (Fragen 8-11, 15). Die Grundaussage lautete: "Die
Betreuung von dementen Menschen ist nicht stark belastend."
Die Fragen 8, 10 und 11 sind daher negativ gepolt.
8) Die Arbeit mit dementen Menschen ist mit viel Stress
verbunden.
9) Die Arbeit mit dementen Menschen macht mir Spaß.
10) Im Umgang mit dementen Menschen fühle ich mich
oft hilflos und überfordert.
11) Ich empfinde die Arbeit mit dementen Menschen als belastend.
15) Für längere Gespräche (mehr als 5 min)
mit einzelnen dementen Heimbewohnern
findet sich immer Zeit.
d)
Arbeitszufriedenheit im Zusammenhang mit äußeren
Arbeitsbedingungen. Dieses Subset bestand aus den Fragen
20-28. Die Grundaussage lautet: "Ich bin zufrieden
mit den äußeren Arbeitsbedingungen." Negativ
gepolt sind also die Fragen 23, 24, 26 und 28.
20) Ich kann meine Arbeit überwiegend in Ruhe erledigen.
21) Ich bin mit meiner Arbeit zufrieden.
22) Die Zusammenarbeit im Team funktioniert gut.
23) Manchmal denke ich über einen Berufswechsel nach.
24) Der Personalschlüssel ist zu niedrig.
25) Mit meinen Kollegen verstehe ich mich gut.
26) Die angebotenen Fortbildungsmöglichkeiten für
Mitarbeiter finde ich nicht
ausreichend.
27) Mein Gehalt ist meiner Arbeitsleistung angemessen.
28) Ich habe in meinem Beruf keine Aufstiegsmöglichkeiten.
e)
Ein weiteres Fragensubset erfasste das Wohlbefinden der
dementen Menschen in ihrer augenblicklichen Situation. Dabei
sollte die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Verhaltensweisen
bzw. Fähigkeiten benannt werden (29-45). Diese waren:
Starke Unruhe, aggressives Verhalten, Sinn für Humor,
Schreien, Schlagen, Hilfsbereitschaft, ängstliches
Verhalten, Aktivität, Misstrauen, Rückzug aus
der Realität, Mitteilsamkeit, Tendenz zum Weglaufen,
Müdigkeit, gutes sprachliches Ausdrucksvermögen,
Kontaktfreudigkeit, unkooperatives Verhalten, Inkontinenz.
Dazu kamen die Fragen 46,47 und 49-53, die das Wohlbefinden
der dementen Menschen beurteilen sollten. Die Grundaussage
lautete hier: "Die Heimbewohner fühlen sich hier
im Heim wohl." Die Fragen 46 und 51 sind daher negativ
gepolt.
46) Die dementen Menschen neigen zu starken Stimmungsschwankungen.
47) Überwiegend sind die dementen Menschen ausgeglichen
und gut gelaunt.
49) Die dementen Menschen fühlen sich hier im Heim
wohl.
50) Die Räumlichkeiten des Heims sind liebevoll eingerichtet.
51) Viele der dementen Menschen sind niedergeschlagen und
traurig.
52) Die dementen Bewohner des Heims können sich im
Heim gut orientieren.
53) In den Zimmern von dementen Heimbewohnern befinden sich
persönliche
Einrichtungsgegenstände von zu Hause (z.B. Möbel,
alte Fotos).
f)
Zusätzlich wurden im Fragebogen verschiedene Fragen
eingeflochten, die das Wissen des Pflegepersonals um bestimmte
Betreuungskonzepte ermitteln sollten. Dies sind die Fragen
12-15, 17-19, 50, 52, 53. Ein Teil dieser Fragen prüfte
Strategien der Betreuung dementer Menschen, welche in allen
Betreuungskonzepten berücksichtigt sind.
Die Grundaussage lautete hier: "Es findet eine dementengerechte
Betreuung statt." Die Fragen 14 und 19 sind daher negativ
gepolt.
13) Die Beschäftigungsangebote für demente Heimbewohner
berücksichtigen die
individuellen Interessen des Einzelnen.
15) Für längere Gespräche (mehr als 5 min)
mit einzelnen dementen Heimbewohnern
findet sich immer Zeit.
17) Die dementen Heimbewohner beteiligen sich an alltäglichen
Tätigkeiten auf der
Station (z.B. Tische decken, Aufräumen).
18) Für demente Heimbewohner gibt es besondere Beschäftigungsangebote.
Etwas spezifischer formuliert sind die Fragen 12 und 19
(Biographiearbeit):
12) Ich bin über die jeweilige Lebensgeschichte der
dementen Heimbewohner gut
informiert.
19) Ich weiß in der Regel nicht, welches die früheren
Hobbies und Vorlieben der
dementen Heimbewohner waren.
Frage
14 (ROT):
14) Demente Menschen kommen besser mit der Realität
zurecht, wenn man falsche
Aussagen von ihnen korrigiert.
und
die Fragen 50, 52 und 53 (Milieutherapie bzw. SET).
50) Die Räumlichkeiten des Heims sind liebevoll eingerichtet.
52) Die dementen Bewohner des Heims können sich im
Heim gut orientieren.
53) In den Zimmern von dementen Heimbewohnern befinden sich
persönliche
Einrichtungsgegenstände von zu Hause (z.B. Möbel,
alte Fotos).
Am Ende des Fragebogens standen weitere Fragen, die nicht
in ein Subset eingeordnet werden sollten und auch nicht
in Form einer Likert-Skala präsentiert wurden. Dies
waren die Fragen zu Kenntnissen und Umsetzung spezifischer
Betreuungskonzepte für demente Menschen (54, 55), Fragen
zu Alter (56), Geschlecht (57), Berufsausbildung und Berufserfahrung
(58-60) und Supervision (61) der Betreuer.
Fragebogen
für die Heimleitung
In diesem Fragebogen wurde die Anzahl der Betreuten und
der Anteil an dementen Menschen unter diesen abgefragt (Fragen
1, 2). Weiterhin interessierte deren Verteilung auf Pflegestufen
(Frage 3) und der Personalschlüssel (Frage 4). Zusätzlich
wurde die Anzahl an Pflegekräften mit (Frage 5) und
ohne (Frage 6) abgeschlossene Berufsausbildung erhoben.
Die abschließenden Fragen (7, 8) bezogen sich auf
die Unterbringung und Betreuung der dementen Heimbewohner.
7.2.2 Durchführung der Untersuchung
Zuerst wurde die Heimleitung mit einem Anschreiben über
das geplante Vorhaben informiert. Nach Absprache eines Termins
erfolgte dann ein erster persönlicher Kontakt, bei
dem die Fragebögen für das Pflegepersonal und
die Heimleitung abgegeben sowie ggf. Sammelboxen für
die Antworten aufgestellt wurden. Der Zeitraum für
das Ausfüllen der Fragebögen wurde jeweils auf
eine Woche beschränkt. Nach Ablauf dieser Frist wurden
die abgegebenen Fragebögen abgeholt.
7.3
Ergebnisse
7.3.1 Statistische Methoden
7.3.1.1 Likert-Verfahren
Dies betraf die Fragen 1-53 des Fragebogens für das
Pflegepersonal (siehe auch Kap. 8.1.1). Die Kodierung der
Fragen lautete:
· Trifft zu: 1
· Trifft eher zu: 2
· Teils/Teils: 3
· Trifft eher nicht zu: 4
· Trifft nicht zu: 5
Deskriptive
Statistik
Häufigkeiten wurden als absolute und/oder prozentuale
Werte angegeben. Zur Beschreibung der absoluten Häufigkeiten
wurden als univariate Auswertungsstatistiken die Lagemaße
Medianwert und Modalwert berechnet (vgl. Laatz, 1993, S.
378; Schumann, 1999, S. 146). Da es sich um klassifizierte
Daten handelt, die einer kontinuierlichen Dimension entsprechen
(also eine gewisse Spannweite haben), ist der Medianwert
unter Umständen zu ungenau. Daher wurde zusätzlich
ein Medianwert für gehäufte (klassifizierte) Daten
berechnet (vgl. Laatz, 1993, S. 380-383).
Da sowohl der Medianwert als auch der Medianwert für
gehäufte Daten formalstatistisch gesehen für ordinale
Skalen (wie die Likert-Skala) nicht akzeptiert sind, kann
eigentlich auch kein genauer Wert des Medians angegeben
werden. Im Text wird daher angegeben, welcher Aussage der
Median nahe liegt (beispielsweise statt "der Median
ist 2,5": Der Median liegt zwischen "trifft eher
zu" und "teils/teils"). Diese Problematik
wird im Anhang (Kapitel 8.2) genauer erläutert, da
sie auch die Berechnung der anderen statistischen Daten
betrifft. Im weiteren Text wird darauf nicht mehr explizit
Bezug genommen.
Itemanalyse
Allen Ratingskalen muss in gewisser Weise ein systematischer
Fehler, nämlich die Zustimmungstendenz unterstellt
werden (vgl. Schumann, 1999, S. 37). Aus diesem Grund wurde
ein Teil der Items "negativ" in Bezug auf die
zu messende Dimension gepolt. Durch die nachfolgende Umkodierung
der zugehörigen Messwerte scheint es möglich,
Verzerrungen durch Zustimmungstendenz "herauszumitteln",
da diese bei positiven Items den Messwert systematisch vergrössert
und ihn bei umkodierten, negativ gepolten Items systematisch
verkleinert (vgl. Schumann, 1999, S. 38).
Zur empirischen Abschätzung der Korrelation der Items
mit der latenten Dimension wurde der Trennschärfekoeffizient
berechnet (vgl. Schumann, 1999, S. 39). Dieser Trennschärfekoeffizient
wurde als "Pearson-Koeffizient" berechnet (vgl.
Bühl, 2000, S. 503), welcher als "Produkt-Moment-Korrelations-Koeffizient"
bezeichnet und für "Statement-zu-Rest-Korrelationen"
verwendet wird (vgl. Laatz, 1993, S. 280). Auf Trennwerte
(T-Werte) wurde verzichtet, da diese Beziehungen zu Standardabweichungen
herstellen, die aus den vorliegenden Daten nicht zuverlässig
errechnet werden können (vgl. Laatz, 1993, S. 280f).
Faktorenanalyse
Sie dient der Überprüfung der Dimensionalität
der Likert-Skala und dem Aussortieren von heterogenen oder
auf dem Generalfaktor niedrig ladenden Items (vgl. Bortz,
2002, S. 223). Gleichzeitig führt sie natürlich
zu einer Datenreduktion und hat "neben dieser pragmatischen
Funktion einen hohen heuristischen Wert, der darin besteht
... inhaltlich sinnvolle Interpretationen zu finden"
(vgl. Bortz, 2002, S. 383).
Durchgeführt wurde eine explorative Faktorenanalyse
(Principal-Components-Verfahren):
Die Korrelationen zwischen Faktoren (Faktorenkorrelationen)
und die Korrelationen zwischen Faktoren und Variablen (Faktorladung)
wurden dabei überprüft (vgl. Schnell, 1999, S.
156). Wie von Laatz (1993, S. 293) vorgeschlagen, wurden
Eigenwerte berechnet, welche den Anteil an der Gesamtvarianz
darstellen und somit eine Reduktion auf die optimale Anzahl
an Faktoren erlauben (vgl. auch Lübbert, 1999). Eine
Berechnung der Kommunalitäten, die erklärt, "wieviel
Prozent der Streuung der jeweiligen Variablen ... durch
alle Faktoren der ausgewählten Lösung zusammen
erklärt werden" (Laatz, 1993, S. 294), wurde ebenfalls
durchgeführt (vgl. auch Lübbert, 1999; Kappelhoff,
2001, S. 4). Zur abschließenden Berechnung der Faktorladungen
wurden die Koordinaten (= Faktoren) des Koordinatensystems,
in dem sich die Kommunalitäten abbilden, so rotiert,
dass die Variablen möglichst immer nur auf einem Faktor
laden (was im Prinzip eine Korrelation ist). Hierzu wurde
eine Varimax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung (Eigenwerte
über 1) (vgl. Bühl, 2000, S. 464, 469) durchgeführt,
mit der man eine sogenannte rotierte Faktorenmatrix erhält
(vgl. Laatz, 1993, S. 295; Kappelhoff, 2001, S. 5).
Um die extrahierten Hauptfaktoren weiterverwenden zu können,
wurden sie als eigene Variablen betrachtet, die jetzt die
Werte der Faktoren beinhalten, aus denen sie generiert wurden.
Sie haben für jeden Teilnehmer der Untersuchung wiederum
einen Faktorwert, der die Stärke des Faktors beschreibt
(dieser liegt gewöhnlich zwischen -3 und +3, vgl. Bühl,
2000, S. 456). Bildet man nun eine Rangfolge und Quartile
aus den Werten dieser Hauptfaktoren, so lassen sich mit
einer einfachen Kreuztabelle Beziehungen zu anderen Variablen
überprüfen. Gleichzeitig wurden auf diese Weise
auch Signifikanztests möglich. Dazu wurden Chi-Quadrat-Tests
durchgeführt, wobei Werte unter 0,05 der zweiseitigen
Signifikanz als signifikant betrachtet wurden.
Konfirmatorische Faktorenanalyse:
Dabei ergibt sich durch das Postulieren ebenso vieler Faktoren
wie Konstrukte (Schnell, 1999, S. 156) ein "Messmodell",
für welches die konfirmatorische Faktorenanalyse einen
statistischen Test darstellt. "Fällt dieser Test
so aus, daß das Meßmodell akzeptiert werden
kann, so kann Konstruktvalidität zumindest vorläufig
angenommen werden" (Schnell, 1999, S. 156). Siehe auch
im Abschnitt "Testvalidität".
Testreliabilität
Zur Überprüfung der Testreliabilität wurde
"Cronbachs a" berechnet, womit die interne Konsistenz
abgeschätzt wird. Auf eine Bestimmung der split-half-Reliabilität
wurde verzichtet, da die "willkürliche" Aufteilung
des vorliegenden Datenmaterials zu fehlerbehaftet erschien
(vgl. Schumann, 1999, S. 41; Schnell, 1999, S. 147). Da
die Konsistenzzuverlässigkeit "eine Verallgemeinerung
des Testhalbierungsverfahrens" darstellt (vgl. Laatz,
1993, S. 291), wurde es als adäquate Methode für
eine Reliabilitätsprüfung erachtet.
Testvalidität
Die Überprüfung der Testvalidität gestaltet
sich aufgrund des Fehlens eines Außenkriteriums und
zusätzlicher Tests für Multitrait-Multimethod-Matrizen
(die abgesehen davon den Umfang einer Diplomarbeit sicher
sprengen [vgl. Schnell 1999, S. 154]) schwierig. Als Anhaltspunkt
für die Validität sollte die konfirmatorische
Faktorenanalyse (siehe oben) dienen.
Korrelationen
Wurden Korrelationen zwischen Variablen berechnet, so wurde
der Spearman'sche Rangkorrelationskoeffizient verwendet,
da dieser Paare von Rangplätzen auf ihre Differenz
hin untersucht (vgl. Benninghaus, 1998, S. 264), was für
die vorliegenden Daten adäquat erschien. Zur Abschätzung
von signifikanten monotonen Korrelationen wurde die Kendall-Korrelation
berechnet. Hier ist allerdings anzumerken, dass die Höhe
dieser Korrelation kaum Aufschluss über den Zusammenhang
der untersuchten Variablen gibt und sich deshalb nicht gut
zur Deskription eignet (vgl. Gediga, 2001). Errechnet wurde
Kendalls Tau-b, da er sich zur Interpretation der vorliegenden
empirischen Daten gut eignet (vgl. Benninghaus, 1998, S.
249f).
7.3.1.2 Auswertung anderer Daten
Dies betraf die Fragen 54-61 des Fragebogens für das
Pflegepersonal und den gesamten Fragebogen für die
Heimleitung.
Häufigkeiten wurden als Absolutwerte und in Prozent
angegeben. Skalen, für die statistische Kennwerte angegeben
wurden, hatten in diesem Fall mindestens Intervallniveau,
weshalb als Lagemaß das arithmetische Mittel (ArM)
und als Dispersionsmaß die Standardabweichung (StA)
diente. Zusätzlich wurden Minimal (Min)- und Maximalwerte
(Max) angegeben.
7.3.2 Auswertung
7.3.2.1 Daten zur untersuchten Population
Angeschrieben wurden alle zwölf Alten- und Altenpflegeheime
in Marburg (lt. Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf,
2001). Dabei werden zwei Heime über die gleiche Heimleitung
verwaltet, so dass insgesamt elf Heimleitungen angeschrieben
wurden. Zehn davon erklärten sich bereit, an der Untersuchung
teilzunehmen. Im Verlauf der Untersuchung wurde in einem
Heim nach Beginn der empirischen Erhebung die Zusage zur
Teilnahme widerrufen. Die bis dahin schon eingesammelten
Fragebögen von Mitarbeitern dieses Heimes wurden daher
in die Untersuchung nicht aufgenommen.
Die neun teilnehmenden Heime hatten im Durchschnitt 36,67
Bewohner (StA: 15,91; Min: 15; Max: 61), bei einer Gesamtzahl
von 330 Bewohnern. Der Anteil an dementen Menschen unter
diesen Bewohnern konnte im Fragebogen sowohl in absoluten
Zahlen als auch in Prozent angegeben werden. Dabei sollten
absolute Zahlen bei sicherer medizinischer Diagnose "Demenz"
und Prozentangaben bei der Schätzung durch die Heimleitung
angegeben werden. Die Tatsache, dass z. B. absolute Werte
von den Heimleitungen in Prozent umgerechnet wurden bzw.
Kommentare zum "tatsächlichen" Anteil von
dementen Heimbewohnern in den Fragebogen eingefügt
wurden, lässt darauf schließen, dass die Trennung
Diagnose - Schätzung im Fragebogen nicht ausreichend
erläutert wurde. Auf einen Vergleich der beiden Werte
wird daher verzichtet. Es soll jedoch angemerkt werden,
dass der Unterschied hochsignifikant -p<0,001- dafür
war, dass der Anteil höher geschätzt wurde, als
es den Diagnosen entsprach. Zur besseren Übersicht
wurden die absoluten Werte nachträglich in Prozentangaben
umgerechnet. Von den oben genannten 330 Heimbewohnern wurden
53,4% als dement eingestuft (StA: 18,90; Min: 24%; Max:
80%). Die Demenzerkrankten verteilten sich wie folgt auf
die Pflegestufen 0 bis 3:
· Pflegestufe 0: 3,79 %
· Pflegestufe 1: 22,50 %
· Pflegestufe 2: 45,00 %
· Pflegestufe 3: 27,50 %
Die
auf 100% fehlenden (1,21 %) Werte waren nicht eindeutig
definiert worden. In einem Heim wurden von der Heimleitung
keine Angaben zur Verteilung der dementen Menschen auf Pflegestufen
gemacht.
In
den in die Auswertung aufgenommenen Heimen waren durchschnittlich
7,78 ausgebildete Ganztagskräfte und 4,14 ausgebildete
Teilzeitkräfte beschäftigt. Zusätzlich waren
dort durchschnittlich 3,88 nicht ausgebildete Ganztagskräfte
und 3,67 nicht ausgebildete Teilzeitkräfte tätig.
Lediglich von vier Heimleitungen wurden Angaben zum Personalschlüssel
gemacht (1 Pflegekraft pro x Heimbewohner: x war im ArM
2,85; StA: 0,95), daher sollen hier zum Vergleich die Mittelwerte
der Heimbewohnerzahl und der Mitarbeiter ins Verhältnis
gesetzt werden. Insgesamt ergab sich folgende Relation:
· 1 ausgebildete Vollzeitkraft pro 4,71 Heimbewohner
· 1 ausgebildete Teilzeitkraft pro 8,86 Heimbewohner
· 1 nicht ausgebildete Vollzeitkraft pro 9,45 Heimbewohner
· 1 nicht ausgebildete Teilzeitkraft pro 9,99 Heimbewohner
Lediglich
in einem Heim wurde angegeben, eine spezielle Abteilung
für demente Menschen zu führen (Frage 7 im Heimleitungsfragebogen).
Als zur Anwendung kommendes Betreuungskonzept wurde DCM
genannt.
Bis auf ein Heim wurde in allen Heimen von der Heimleitung
angegeben, eine spezielle Betreuung dementer Menschen anzuwenden
(Frage 8 im Heimleitungs-Fragebogen). In diesen acht Heimen
wurden von der jeweiligen Heimleitung zum theoretischen
Konzept für diese Betreuung folgende Angaben gemacht:
· Keine Angabe: 2 Heime
· Kein Konzept: 4 Heime
· Konzept: 2 Heime
AlsKonzepte
wurden im einen Heim "Ergotherapie und Beschäftigung",
im anderen "DCM" genannt.
In
den teilnehmenden Heimen betrug die Anzahl der ausgebildeten
Pflegekräfte nach den Angaben der Heimleitung insgesamt
99. Es wurden 56 Fragebogen bearbeitet zurückgegeben,
so dass sich eine Rückläuferquote von 56,57% ergibt.
In einem Fragebogen waren lediglich die ersten vier Fragen
beantwortet worden, weshalb dieser aus der Gesamtauswertung
ausgeschlossen wurde. Die 55 verbleibenden Teilnehmer gaben
folgende Berufsbezeichnungen an:
· Altenpfleger/in: 41
· Krankenschwester/-pfleger: 6
· Mitarbeiter/in Pflege: 3
· Altenpflegehelfer/in: 1
· Altenpflegekraft: 1
· Keine Angabe: 3
An
der Untersuchung nahmen 44 Frauen und 9 Männer teil.
2 Personen machten keine Angaben zu ihrem Geschlecht.
Das Alter der teilnehmenden Personen lag im arithmetischen
Mittel bei 39,26 Jahren (StA 9,83; Medianwert 39; Min: 21;
Max: 61). Acht Teilnehmer machten keine Angaben zu ihrem
Alter.
Die
durchschnittliche Dauer der Berufserfahrung wurde mit 9,22
Jahren (StA: 6,48), die durchschnittliche Dauer der Erfahrung
in der Betreuung von dementen Menschen mit 7,26 Jahren (StA:
4,84) angegeben.
Von sieben Befragten wurden keine Angaben zur Dauer der
Berufserfahrung und von acht Befragten wurden keine Angaben
zur Dauer der Erfahrung in der Betreuung von dementen Menschen
gemacht.
Zur
Frage nach Supervision (Frage 61 des Personal-Fragebogens)
wurden folgende Angaben gemacht:
· Keine Angabe: 3
· Keine Supervision: 32
· Supervision: 20
Zwölf
Teilnehmer mit Supervision machten Angaben zur Häufigkeit
der Supervisionsveranstaltungen. Davon waren sieben im gleichen
Heim beschäftigt, in dem die Häufigkeit mit "einmal
pro Monat" angegeben wurde. Auf eine Berechnung von
Lage- oder Streuungsmassen wurde aufgrund der schiefen Verteilung
über die gesamten Heime verzichtet.
Zur
Frage, welche Betreuungskonzepte für demente Menschen
bekannt sind (Frage 54 des Personal-Fragebogens), wurden
folgende Angaben gemacht:
· Keine Angabe: 26
· Keine Betreuungskonzepte bekannt: 3
Zwei
Teilnehmer kannten DCM und ein Teilnehmer kannte DCM, Validation
und Realitätsorientierungstraining. Ein Teilnehmer
nannte Integrative Validation (Nicole Richard) und zwei
Teilnehmer nannten Modellprojekte, in denen Betreuungskonzepte
umgesetzt werden. Genannt wurden "Modell Hamburg",
"Modell Wojnar" und "Modell Haus Polle (Dürrmann)".
Weiterhin wurden "Bezugspflege" viermal, "Tagesklinik/Tagespflege"
dreimal und "Ergotherapie" zweimal genannt. Zusätzlich
wurden von zwölf Befragten Stichworte wie "Kochen,
Spielen, Singen, Vorlesen, Gespräche, Namensschilder,
Geduld, Einfühlen, ..." genannt.
Die
Frage, ob demente Menschen in dem Heim, in dem die Befragten
beschäftigt sind, nach einem bestimmten Konzept betreut
werden (Frage 55 des Personal-Fragebogens), wurde von acht
Befragten bejaht. 35 Teilnehmer gaben an, dass in ihrem
Heim kein Betreuungskonzept zur Anwendung kommt, zwölf
Teilnehmer machten keine Angaben.
Von den acht Befragten, die über die Anwendung von
Betreuungskonzepten berichteten, wurde genannt:
· DCM: 3 Teilnehmer im gleichen Heim
· Bezugspflege: 3 Teilnehmer im gleichen Heim
· Tagesstruktur/Ergotherapie: 1 Teilnehmer
· Ein Teilnehmer machte keine näheren Angaben.
Am
Schluss des Fragebogens war Raum für Ergänzungen
gelassen worden. Diese Möglichkeit zur freien Äußerung
wurde von vier Befragten genutzt. Davon gaben drei an, dass
sie Fragen zur Zusammenarbeit des Pflegepersonals mit Ärzten
und Angehörigen oder zur Unterstützung Angehöriger
von Dementen vermisst hätten. Ein Teilnehmer nannte
"Belastung im Nachtdienst" und ein Teilnehmer
gab zusätzlich "Nähe - Distanz" ohne
weitere Erklärung an.
7.3.2.2 Auswertung der Likert-Skala
Die Erläuterungen zu den angewendeten Verfahren finden
sich in Kapitel 7.3.1. Alle Berechnungen wurden mit SPSS
für Windows Release 9.0.1 der SPSS Inc., Chicago, USA
oder in EXCEL-Tabellen (Version 2000, Microsoft, Redmond,
USA) durchgeführt.
Zuerst
wurden Berechnungen durchgeführt, die den Gesamttest
betreffen. Hier wurden auch die Hauptkomponenten extrahiert.
Dabei wurden die vorher definierten Subsets nicht beachtet,
da dies eine willkürliche Einschränkung darstellt,
die dem Verfahren der Faktoranalyse prinzipiell widerspricht.
Ein Fragebogen, in dem nur die ersten vier Fragen beantwortet
worden waren, wurde von der Analyse ausgeschlossen. Es kamen
also 55 Fragebogen zur Auswertung. Negativ formulierte Fragen
wurden umkodiert (Fragen Nr.: 1, 3-5, 8,10, 11, 14, 16,
19, 23, 24, 26, 28-30, 32, 33, 35, 37, 38, 40, 41, 44-46,
48, 51). Dies ist bei der Erläuterung der Subsets genauer
beschrieben (7.2.1.3).
Die Reliabilität des unveränderten Tests betrug
0,89 (Cronbachs a). Anschließend erfolgte die Berechnung
von Trennschärfekoeffizienten als korrigierte Item-zu-Totalscore-Korrelation.
Ausgeschlossen wurden die Fragen, die einen Trennschärfekoeffizienten
unter 0,15 aufwiesen (vgl. Bühl, 2000, S. 507, Tanzius,
1999). Dadurch wurden die folgenden vier Fragen eliminiert:
3) Demente Menschen nehmen die reale Welt nicht mehr wahr.
12) Ich bin über die jeweilige Lebensgeschichte der
dementen Heimbewohner gut
informiert.
14) Demente Menschen kommen besser mit der Realität
zurecht, wenn man falsche
Aussagen von ihnen korrigiert
45) Häufig beobachtete Verhaltensweise: Inkontinenz
Eine
erneute Reliabilitätstestung nach der Itemanalyse ergab
eine Testreliabilität von 0,9 (Cronbachs a), womit
ein exzellenter Wert erzielt wurde (vgl. Schnell, 1999,
S 147). Weitere Untersuchungen zum Gesamttest wurden ebenfalls
mit den verbleibenden 49 Items durchgeführt. Exkludiert
man die Fragen 29-45 (s.u.) vor der Reliabilitätsanalyse,
so erhält man die a-Werte 0,8534 (vor Ausschluss durch
Trennschärfe) und 0,8675 (nach Ausschluss durch Trennschärfe).
Eine Validitätstestung kann, wie beschrieben, mit einer
konfirmatorischen Faktorenanalyse versucht werden. Dies
ist beim gegebenen Fragebogenaufbau aber eigentlich nicht
möglich, da im Prinzip "mehrere Fragebögen
in einem" vorliegen. Der Versuch, zu beweisen, dass
der Fragebogen das testet, was man meint, das er testen
soll (Konstruktvalidität), kann immer nur zu einem
Thema unternommen werden. Zur Validitätsüberprüfung
wurden daher die drei Hauptthemen des Fragebogens, "Erleben
der Arbeit mit dementen Menschen" (Fragen 1-19, ohne
3, 12 und 14), "Arbeitszufriedenheit" (Fragen
20-28) und "Befinden der dementen Menschen in der Heimsituation"
(Fragen 46-53), herangezogen. Die Einschätzung der
Häufigkeit bestimmter Verhaltensweisen (29-45) wurden
nicht geprüft, da es sich hier um einzelne Konstrukte
handelt, deren Validität selbst ungeprüft bleiben
muss. Für jeden dieser drei Hauptteile des Fragebogens
ergeben sich bei einer der Itemanzahl entsprechenden Extraktion
von Hauptfaktoren keine Überschneidungen in den Faktorladungen,
die über 0,32 liegen. Dies erscheint vergleichsweise
gering und ist ein Hinweis auf eine ausreichende Konstruktvalidität
(wobei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen sei,
dass dies keineswegs bedeutet, das Konstrukt stimme jeweils
mit dem entsprechenden Hauptthema des Fragebogens überein).
Explorative
Faktorenanalyse
Zur Dimensionsreduktion erfolgte dann die explorative Faktorenanalyse.
Hierbei wurde der Fragensatz mit Einschätzung der Häufigkeit
bestimmter Verhaltensweisen (Fragen 29-45) wie bei der Validitätsprüfung
nicht berücksichtigt. Ausgeschlossen wurden auch die
Fragen 3, 12 und 14 wegen des niedrigen Trennschärfekoeffizienten.
Fehlende Werte wurden durch Mittelwerte ersetzt. Es ergeben
sich insgesamt 12 Hauptfaktoren mit Eigenwerten über
1 und folgender Screeplot.
Abbildung 4: Screeplot zur explorativen Faktorenanalyse
Nach
Bewertung des Screeplots wurden die ersten vier Hauptfaktoren
ausgewählt. Sie tragen in unterschiedlichem Maß
(siehe Tabelle 5) zur Erklärung der Gesamtvarianz bei
(Werte gerundet):
Tabelle 5: Erklärung der Gesamtvarianz durch die Hauptfaktoren
Im
Folgenden werden die vier extrahierten Hauptfaktoren genauer
vorgestellt und die vier Items, die am höchsten laden
genannt. Bei den Aussagen muss berücksichtigt werden,
dass manche Items umgekehrt gepolt im Fragebogen verwendet
wurden (siehe 7.2.1.3, Subsets).
Tabelle 6: Hauptfaktor 1
Der
Hauptfaktor 1 beschreibt Arbeitszufriedenheit unabhängig
von der Tätigkeit (Pflege von dementen Menschen). Mitarbeiter,
die hohe Werte auf diesem Hauptfaktor erzielen, sind mit
den "äußeren" Arbeitsbedingungen sehr
zufrieden. Dieser Hauptfaktor bekommt im weiteren Text das
Label "Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen".
Tabelle
7: Hauptfaktor 2
Im
Hauptfaktor 2 wird die individuell empfundene Belastung
durch die Arbeit mit Demenzerkrankten gebündelt. Dazu
passt das Item 9 nicht besonders gut. Das Item mit der nächstniedrigeren
Ladung (0,480) ist das Item Nummer 8: "Die Arbeit mit
dementen Menschen ist mit viel Stress verbunden." Hohe
Ladungen auf diesem Hauptfaktor beschreiben daher am ehesten
Mitarbeiter, für die sich der Umgang mit Demenz und
dementen Menschen als belastend darstellt. Der Hauptfaktor
2 bekommt im weiteren Text das Label "Belastung durch
Arbeit mit Demenzerkrankten".
Tabelle 8: Hauptfaktor 3
Auf
dem Hauptfaktor 3 lädt außerdem das Item 28 (Ladung
0,609) "Ich habe in meinem Beruf keine Aufstiegsmöglichkeiten"
sehr gut. Dies blieb bei der Interpretation des Hauptfaktors
unberücksichtigt. Die aufgeführten vier Items
sind diejenigen mit der höchsten Ladung auf dem Hauptfaktor
ohne das Item 28. Sie beschreiben die Ausprägung der
individuellen Betreuung der dementen Heimbewohner. Hohe
Werte auf diesem Hauptfaktor beschreiben Mitarbeiter, die
in dem Heim, in dem sie arbeiten, eine individuelle Betreuung
der dementen Menschen im Pflegealltag praktizieren.
Im weiteren Text bekommt dieser Hauptfaktor das Label "Individuelle
Betreuung".
Tabelle 9: Hauptfaktor 4
Der
Hauptfaktor 4 beschreibt das Wohlbefinden und die Ausgeglichenheit
der dementen Heimbewohner. Hohe Ladungen auf diesem Faktor
beschreiben ein hohes Wohlbefinden. Dieser Faktor bekommt
im weiteren Text das Label "Wohlbefinden".
Untersuchung
der definierten Subsets
Diese sind unter 7.2.1.3 genauer beschrieben. Hier sollen
die Ergebnisse präsentiert werden. Die im Folgenden
in Klammern angegebenen Zahlen haben immer die Bedeutung
"Fragennummer: Medianwert; Modalwert; gruppierter Medianwert",
wobei die Ziffern den Aussagen der Likert-Skala entsprechen:
1- trifft zu, 2- trifft eher nicht zu, usw. Zur Interpretation
von Medianen auf Ordinalskalen siehe Kapitel 8.2.
a)
Im ersten Subset wurde die Einstellung des Pflegepersonals
zur Krankheit Demenz erfragt (Fragen 1,5,7).
Hier zeigt sich, dass der überwiegende Anteil der Befragten
Angst davor hat, selbst dement zu werden (1: 2; 1; 1,66)
und die Erkrankung dabei als unbeeinflussbarer Prozess der
Verschlechterung interpretiert wird (5: 1; 1; 1,56). Trotzdem
wird das Leben mit Demenz als lebenswert beurteilt (7: 1;
1; 1,67). In allen Fragen lagen die Mediane im Bereich "trifft
eher zu" bis "trifft zu".
b)
Im nächsten Subset waren Fragen enthalten, die die
Einstellung des Pflegepersonals zu demenzerkrankten Menschen
erfassen sollten (2, 3, 4, 6, 16, 48). Sie waren im Unterschied
zu denen im Subset a) in direktem Bezug auf demente Menschen
formuliert. Interessanterweise lagen hier zu allen Fragen
außer der Frage 16 alle Mediane im Bereich "teils/teils".
Dies betraf also Aussagen zur Aktivität, der Wahrnehmung
und den Kommunikationsmöglichkeiten genauso wie die
Frage, ob das Verhalten dementer Menschen nachvollziehbar
ist. Auch über die medikamentöse Therapie herrschte
Uneinigkeit. Grosse Übereinstimmung zeigte sich dagegen
in der Aussage, ob körperlicher Kontakt zu dementen
Menschen als unangenehm empfunden wird (16: 5; 5; 4,55).
Hier lag der Median im Bereich "trifft eher nicht zu"
bis "trifft nicht zu".
c)
In diesem Subset wurde die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals
im Zusammenhang mit der Betreuung von dementen Menschen
ermittelt (Fragen 8-11, 15). Hier lässt sich festhalten,
dass die Arbeit mit dementen Menschen zwar als "stressig"
(8: 2; 3; 2,39) empfunden wird, aber trotzdem Spaß
macht (9: 2; 1; 1,89). Hier lagen die Mediane um den Bereich
"trifft eher zu". Die Möglichkeiten, längere
Gespräche zu führen, scheinen bei einem Median
im Bereich "teils/teils" dagegen sehr unterschiedlich
zu sein (15: 3; 3; 3,30). Insgesamt wird die Arbeit mit
Demenzerkrankten aber eher als nicht stark belastend eingestuft,
da die Antworten zu den Fragen nach Überforderung (10:
4; 3; 3,63) und Belastung (11: 4; 3; 3,84) mit den Medianwerten
zwischen "teils/teils" und "trifft eher nicht
zu" lagen.
d)
Die Fragen 20-28 widmeten sich dem Zusammenhang der Arbeitszufriedenheit
mit äußeren Arbeitsbedingungen.
Sehr unterschiedlich nahmen die Befragten den Zeitdruck
bei ihrer Arbeit wahr (Frage 20). Der Median liegt hier
nah an der Aussage "teils/teils". Gleiches gilt
auch zu der Frage (26), ob die Anzahl der Fortbildungsangebote
ausreichend ist. Insgesamt herrscht durchaus Zufriedenheit
mit der Arbeit (21: 2; 3; 2,06), wie der Median im Bereich
"trifft eher zu" anzeigt, auch wenn die Angemessenheit
der Höhe des Gehalts in Relation zur Arbeit sehr differenziert
bewertet wird. Hier steht einem Median der zwischen "teils/teils"
und "trifft eher nicht zu" (27: 3,5; 5; 3,56)
ein Modalwert von 5 gegenüber, was bedeuten kann, dass
Personen, die ihr Gehalt nicht angemessen finden, dies sehr
eindeutig ausdrücken möchten. Dabei ergab sich
eventuell eine Verzerrung des Medians in Richtung "trifft
eher nicht zu". Über gut funktionierende Teamarbeit
(22) und ein gutes kollegiales Miteinander (25) berichteten
die meisten Befragten. Die Mediane lagen zwischen "trifft
eher zu" und "trifft zu", wobei das Verhältnis
zu den Kollegen noch besser als die Teamarbeit bewertet
wurde. Der im jeweiligen Heim herrschende Personalschlüssel
wurde tendenziell als zu niedrig beurteilt, der Median lag
im Bereich "trifft eher zu". Insgesamt lässt
sich festhalten, dass die Arbeitsbedingungen durchaus positiv
bewertet wurden. Dies schlug sich auch in den Antworten
zu der Frage, ob die Befragten über einen Berufswechsel
nachdenken, nieder, was mit einem Median im Bereich "trifft
eher nicht zu" bis "trifft nicht zu" recht
deutlich verneint wurde (23: 5; 5; 4,29). Zudem werden durchaus
Aufstiegsmöglichkeiten gesehen (28: 4; 5; 4,11).
e)
Ein weiteres Fragensubset erfasste das Wohlbefinden der
dementen Menschen in ihrer augenblicklichen Situation. Dabei
sollte die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Verhaltensweisen
bzw. Fähigkeiten benannt werden (29-45). Dazu kamen
die Fragen 46, 47 und 49-53.
Hier fällt vor allem auf, dass ein großer Teil
der Fragen mit "teils/teils" bewertet wurde, was
darauf hindeutet, dass hier die Eindrücke sehr unterschiedlich
sind. Der Median lag im Bereich "teils/teils"
bei den Fragen 30, 31, 32, 33, 34, 36, 39, 41, 43, 44, 49,
51, 52. Unter den Fragen zu Eigenschaften und Verhalten
wurden das Auftreten von ängstlichem Verhalten (35),
Misstrauen (37) und Rückzug aus der Realität (38)
als eher häufig beurteilt. Hier lagen die Mediane im
Bereich "trifft eher zu". Zur "Tendenz zum
Weglaufen" ergaben sich keine klaren Ergebnisse (40;
2; 3; 2,45). Ein gutes sprachliches Ausdrucksvermögen
(42) wurde weniger beobachtet. Der Median liegt hier nah
an "trifft eher nicht zu". Inkontinenz wurde als
eher häufiges Merkmal angegeben (45: 2: 3: 2,08).
Bei Frage 46 nach starken Stimmungsschwankungen der dementen
Heimbewohner ergab sich ein Median am Wert "trifft
eher zu". Begleitend stellten die Befragten in Frage
47 fest, dass die demente Menschen eher nicht ausgeglichen
und gutgelaunt sind (47: 4; 4; 3,61). Der Median lag hier
bei "trifft eher nicht zu" mit Tendenz zu "trifft
nicht zu".
Die Fragen zur Einrichtung dokumentierten eine liebevolle
Einrichtung im Heim (50) mit persönlichen Gegenständen
der Betreuten in ihren Zimmern (53). Hier lagen die Mediane
bei "trifft eher zu" bis "trifft zu"
mit einer großen Zustimmung bezüglich der persönlichen
Einrichtungsgegenstände.
f)
Zu den Fragen, die das Wissen, bzw. die Anwendung unterschiedlicher
Betreuungsmaßnahmen überprüfen sollten,
zählen die Fragen 12-15, 17-19, 50, 52 und 53. Diese
untersuchten zum Teil Strategien bei der Betreuung von dementen
Menschen, welche in allen Betreuungskonzepten berücksichtigt
waren (13, 15, 17, 18):
Auf Frage 15 wurde auch im Subset c) eingegangen: Die Möglichkeiten,
längere Gespräche zu führen, scheinen bei
einem Median im Bereich "teils/teils" sehr unterschiedlich
bewertet zu werden (15: 3; 3; 3,30). Die Beteiligung von
dementen Menschen an alltäglichen Tätigkeiten
(17) wird eher weniger praktiziert. Der Median lag im Bereich
"trifft eher nicht zu". Bei den Aussagen zu besonderen
Angeboten für demente Heimbewohner (18) und der Berücksichtigung
individueller Interessen (13) lagen die Mediane jeweils
nah an "teils/teils". Die etwas spezifischer formulierten
Fragen 12 und 19 zur Biographiearbeit zeigten das gleiche
Ergebnis.
Im Gegensatz dazu wurde die Frage 14 (spezifisch ROT) eindeutig
beantwortet. Die Aussage, dass es dementen Menschen hilft,
wenn man falsche Aussagen von ihnen korrigiert, wurde im
Median mit "trifft eher nicht zu" bis "trifft
nicht zu" beantwortet (14: 5: 5: 4,40).
Die Fragen 50, 52 und 53 (Milieutherapie bzw. SET) wurden
schon im Subset e) behandelt.
Fragen mit auffälligen Ergebnissen
Als nächstes sollen Fragen herausgestellt werden, bei
denen eine große Inhomogenität unter den Antworten
herrschte. Dies drückt sich insbesondere in einem großen
Interquartilabstand aus, da dieser anzeigt, dass sich die
Daten über einen relativ großen Antwortbereich
verteilen. Ein Quartil beschreibt jeweils einen Bereich,
in dem 25% der Antworten liegen. In einem Interquartilabstand,
der den Abstand zwischen dem ersten und dem dritten Quartil
angibt, liegen somit die Antworten von 50% der Befragten.
Dies bedeutet, dass der Abstand um so größer
wird, je unterschiedlicher eine Frage beantwortet wurde.
(Bsp.: Haben auf eine Frage die Hälfte der Befragten
mit 1-"trifft zu" und die andere Hälfte mit
3-"teils/teils" geantwortet, so errechnet sich
ein Interquartilabstand von 2. Hätte die zweite Hälfte
der Teilnehmer mit 5-"trifft nicht zu" geantwortet,
so wäre der Interquartilabstand nun 4).
Praktisch alle Fragen hatten einen Interquartilabstand von
1 oder 2. Die einzigen Ausnahmen waren die Fragen 2 und
27. Die Frage 2 ("Demente Menschen haben ein großes
Interesse an den Beschäftigungsangeboten") hatte
einen Interquartilabstand von 0, hier herrschte also große
Einigkeit unter den Befragten.
Die Frage 27 ("Mein Gehalt ist meiner Arbeitsleistung
angemessen") hatte einen Interquartilabstand von 3.
Hier war die Meinung der Befragten also sehr unterschiedlich.
Der Versuch, eine Korrelation zwischen der Frage 27 und
dem Wissen um Betreuungskonzepte nachzuweisen, blieb ergebnislos.
7.3.3 Überprüfung der formulierten Fragestellung
Unter 7.1 wurden verschiedene Hypothesen bzw. Fragen formuliert,
auf die im Weiteren näher eingegangen wird.
Hypothese
1
Die praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten für
demente Menschen in Altenheimen steigert das Wohlbefinden
der Betroffenen.
Zur Überprüfung wurden alle Teilnehmer ausgewählt,
die in der Antwort auf Frage 54 ein Betreuungskonzept angegeben
hatten. (Diese entsprachen überwiegend nicht den "offiziellen"Konzepten,
wie sie im Kapitel 5 beschrieben sind, trotzdem heben sich
diese Befragten von denjenigen ab, die hier überhaupt
keine Angaben machten.)
Verglichen wurde jetzt mit dem durch die Faktorenanalyse
extrahierten Hauptfaktor 4 "Wohlbefinden", wozu
die Ergebnisse dieses Hauptfaktors in 4 Kategorien eingeteilt
wurden (Erläuterung in 8.2.1). Es ergibt sich folgende
Tabelle:
Tabelle 10: Wohlbefinden in Abhängigkeit von Konzepten
Wie
ersichtlich, ist hier keine klare Tendenz zu erkennen. Geringe
Hinweise lassen sich finden, dass die Heimbewohner von den
Betreuern mit Wissen um Betreuungskonzepte als weniger zufrieden
eingeschätzt werden. Ein Chi-Quadrat-Test ergab keine
signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Ein weiterer Vergleich wurde durchgeführt, in dem jetzt
als "Wissen umKonzepte" nur die Teilnehmer ausgewählt
wurden, die ein "offizielles Konzept" wie in Kapitel
5 beschrieben, angegeben hatten. Es ergab sich ein praktisch
identisches Ergebnis. Ein Chi-Quadrat-Test ergab keine auch
hier keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden
Gruppen.
Auch die Versuche, Korrelationen zwischen der Frage 49 ("Die
dementen Menschen fühlen sich hier im Heim wohl")
und anderen Items herzustellen, waren nicht sehr ergiebig.
Die wichtigsten Korrelationen wurden schon als Hauptfaktor
4 extrahiert.
Das Wohlbefinden der dementen Menschen ist ausführlich
im Subset e) beschrieben.
Hypothese
2
Die praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten für
demente Menschen in Altenheimen steigert die Arbeitszufriedenheit
des Pflegepersonals. Es wurde verfahren wie in der Untersuchung
der Aussage 1. Als Hauptfaktor wurde der Hauptfaktor 1 "Zufriedenheit
mit Arbeitsbedingungen" herangezogen. Es zeigte sich
folgendes Ergebnis:
Tabelle 11: Arbeitszufriedenheit in Abhängigkeit vom
Wissen um Konzepte
Wie
ersichtlich, ist hier auch hier keine klare Tendenz zu erkennen.
Geringe Hinweise lassen sich finden, dass Betreuer mit Wissen
um Betreuungskonzepte mit ihren Arbeitsbedingungen etwas
unzufriedener waren. Es gilt aber zu berücksichtigen,
dass der Hauptfaktor 1 praktisch nur "äußere"
Arbeitsbedingungen abbildet. Diese scheinen aber ebenfalls
unbeeinflusst. Ein Chi-Quadrat-Test ergab keine signifikanten
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Ein weiterer Vergleich wurde durchgeführt, in dem jetzt
als "Wissen umKonzepte" nur die Teilnehmer ausgewählt
wurden, die ein "offizielles Konzept" wie in Kapitel
5 beschrieben, angegeben hatten. Es ergab sich ein praktisch
identisches Ergebnis. Ein Chi-Quadrat-Test ergab keine signifikanten
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Einen anderen Vergleich zur Auswirkung von Betreuungskonzepten
kann man auch mit dem Hauptfaktor 2 ziehen. Dieser bildet
die Belastung des Pflegepersonals durch den Umgang mit Demenzerkrankten
ab. Die Items, aus denen sich der Hauptfaktor 2 "Belastung
durch Arbeit mit Demenzerkrankten" zusammensetzt, sind
die Items 5, 11, 10 und 8. Diese Items sind in den Subsets
a) und c) erläutert worden. Insgesamt ergaben sich
dort tendenzielle Hinweise, dass die Arbeit mit Demenzerkrankten
als belastend und starke Hinweise darauf, dass Demenz als
schwere, angstmachende Krankheit gesehen wird.
Ein sehr interessantes Ergebnis erhält man, wenn man
den Hauptfaktor 2 in Beziehung zum Wissen umKonzepte setzt:
Tabelle 12: Belastung durch Arbeit mit Demenzerkrankten
in Abhängigkeit vom Wissen um Konzepte
Hier
zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der subjektiven
Belastung durch den Umgang mit Demenzerkrankten und dem
Wissen umKonzepte zur Betreuung.
Das
nachstehende Diagramm veranschaulicht dies sehr gut:
Abbildung 5: Belastung durch Arbeit mit Demenzerkrankten
in Abhängigkeit vom Wissen um Konzepte
Hier
zeigt sich, dass Demenz und der Umgang mit dementen Menschen
für Betreuer, die Betreuungskonzepte kennen, als weniger
belastend empfunden wurde. Ein entsprechender Chi-Quadrat-Test
zeigt einen signifikanten Unterschied der beiden Gruppen
(p=0,018).
Fragestellung
1
Weiterhin sollte in Bezug auf das Pflegepersonal erfasst
werden:
Wie ist die Einstellung zur Krankheit "Demenz"
und zum Menschen, der an einer Demenzerkrankung leidet?
Zieht man das Subset a) zur Beurteilung der Einstellung
zu Demenz heran, so zeigte sich dort eine deutlich negative
und angstbesetzte Einstellung zur dieser Erkrankung. Allerdings
wird die Aussage "Trotz Demenz ist das Leben lebenswert"
überwiegend bejaht (Abbildung 6 ):
Abbildung 6: Trotz Demenz ist das Leben lebenswert
Einen
guten Hinweis auf die Grundeinstellung zur Krankheit Demenz
kann auch die Verteilung der Antworten auf die Frage 1 im
Fragebogen für das Pflegepersonal liefern: "Demenz
ist eine unheilbare Krankheit, deren Fortschreiten nicht
aufzuhalten ist." In der nachstehenden Abbildung 7
ist die Verteilung der Antworten in Prozent dargestellt.
Es zeigt sich, dass der Verlauf einer Demenz als nicht beeinflussbar
eingeschätzt wurde, was nach Kitwood als Rechtfertigung
für eine minimale Betreuung herangezogen werden kann,
da Demenz in diesem Zusammenhang als medizinisches und nicht
als pflegerisches Problem interpretiert wird.
Abbildung 7: Demenz ist eine unheilbare Krankheit, deren
Fortschreiten nicht aufzuhalten ist.
Betrachtet
man das Subset b), welches die Einstellung des Pflegepersonals
zu Demenzerkrankten überprüfen sollte, so waren
dort im Prinzip keine klaren Aussagen zu finden. Da auch
kein Hauptfaktor extrahiert wurde, der Items zu dieser Fragestellung
zusammenfasst, lässt sich lediglich festhalten, dass
die Einstellung der Betreuer je nach Betreuer und wahrscheinlich
auch je nach dementem Menschen sehr variabel ist, ohne dass
in der Auswertung Zusammenhänge aufgezeigt werden konnten,
wovon diese Einstellung abhängt.
Es wurde weiterhin untersucht, ob eine Korrelation zwischen
dem Wissen um Betreuungskonzepte und den Antworten zur Frage
1 ("Demenz ist eine unheilbare Krankheit, deren Fortschreiten
nicht aufzuhalten ist") besteht. Dies war nicht der
Fall, da sich eine Korrelation von 0,076 ergab.
Fragestellung
2
Wie wird die Arbeit mit dementen Menschen erlebt und wie
sind die äußeren Arbeitsbedingungen gestaltet?
Diese Thematik wurde in den Ausführungen zur Hypothese
2 und den Erläuterungen im Subset d) schon ausführlich
besprochen.
Fragestellung
3
Welche Betreuungskonzepte sind bekannt und werden sie umgesetzt?
Kurz zusammengefasst lautet hier die ernüchternde Erkenntnis
für den ersten Teil der Frage: "Keine". Sieht
man als Betreuungskonzept einmal nicht die "offiziellen"Konzepte
an, sondern alles, was zur entsprechenden Frage 54 im Fragebogen
für das Pflegepersonal angegeben wurde, so kann man
jedoch z. B. in der Belastung durch die Arbeit (s.o.) deutliche
Effekte durch das Anwenden vonKonzepten nachweisen.
7.4
Abschließende Bemerkungen
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung (vgl. Kap. 7.3.2
und 7.3.3) zeigen sehr deutlich, dass spezielleKonzepte
für die Betreuung dementer Menschen in Marburger Altenheimen
zur Zeit gar nicht oder nur minimal eingesetzt werden. Dies
wird durch die Aussagen der einzelnen Heimleitungen belegt.
Nur eine von insgesamt neun gibt an, dass die Betreuung
der dementen Heimbewohner einem theoretischen Konzept folgt,
wobei es sich um das DCM-Verfahren handelt, welches seit
Januar 2002 im Zuge des Bundesmodellprojektes eingeführt
wurde. (Genaugenommen ist DCM aber kein Betreuungskonzept,
sondern eine Methode zur Qualitätssicherung.) Auch
die Aussagen der befragten Pflegekräfte bestätigen
die fehlende praktische Umsetzung von Betreuungskonzepten
für demente Heimbewohner. Zirka 85% der Befragten geben
an, dass in dem Heim, in dem sie beschäftigt sind,
in der Betreuung Demenzerkrankter kein spezielles Betreuungskonzept
berücksichtigt wird.
Außerdem erfolgt die Betreuung dementer Heimbewohner
immer noch weitgehend nach dem integrativen Ansatz, obwohl
in der Fachwelt mittlerweile Einigkeit über die positiven
Auswirkungen der segregativen Betreuungsform sowohl für
die dementen und nicht-dementen Heimbewohner, als auch für
das Personal, besteht. In den untersuchten Altenheimen in
Marburg gibt nur ein Heim an, über eine separate Abteilung
für Demenzerkrankte zu verfügen.
Insgesamt kann der Schluss gezogen werden, dass, obwohl
über 50% der Heimbewohner als dement eingestuft werden,
keine spezialisierte Betreuung für diese Personengruppe
angeboten wird.
Ich bin der Auffassung, dass ist die spärliche Umsetzung
von Betreuungskonzepten in der Stadt Marburg auf einen dringenden
Handlungsbedarf hinweist.
Hinsichtlich der empirischen Untersuchung konnten aus diesem
Grund die ursprünglich formulierten Hypothesen nicht
wie vorgesehen überprüft werden. Da in Marburger
Altenheimen keine bzw. erst seit Januar 2002 Betreuungskonzepte
in der Versorgung dementer Menschen angewendet werden, konnten
auch deren Auswirkungen auf das Wohlbefinden der dementen
Heinbewohner und die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals
nicht untersucht werden.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Betreuungspersonen
jedoch in Bezug auf die Kenntnisse über Betreuungskonzepte
für Demenzerkrankte. Etwa die Hälfte der befragten
Pflegekräfte konnte überhaupt kein Betreuungskonzept
nennen. Die andere Hälfte der Befragten nannte größtenteils
auch keine konkretenKonzepte, sondern "nur" Teilaspekte
davon (wie z.B. "Namensschilder"). Trotzdem unterscheidet
sich diese Gruppe von Pflegekräften meines Erachtens
von derjenigen, bei der davon ausgegangen werden muss, dass
keine Kenntnisse über spezielle Dementenbetreuung vorhanden
sind. Aus diesem Grund erfolgte die Überprüfung
der Hypothesen und der Fragestellungen (vgl. Kap. 7.3.3)
anhand des Vergleichs zwischen diesen beiden Gruppen und
nicht wie vorgesehen, zwischen denen, dieKonzepte anwenden
und denen, die keine Betreuungskonzepte einsetzen.
Keine nennenswerten Unterschiede ergab der Vergleich in
Bezug auf die Fragestellung 1 (Wie ist die Einstellung zur
Krankheit Demenz und zum Menschen, der an einer Demenzerkrankung
leidet?) und die Hypothese 1 (Die praktische Umsetzung von
Betreuungskonzepten für demente Menschen in Altenheimen
steigert das Wohlbefinden der Betroffenen.).
Zusammenfassend können die Ergebnisse der Untersuchung
aber zeigen, dass Demenz ein großes Angstthema ist,
das Leben mit Demenz jedoch eindeutig als lebenswert eingestuft
wird. Außerdem wird Demenz primär als medizinisches
Problem angesehen und der Krankheitsverlauf als ein Prozess
stetiger Verschlechterung, welcher nicht (also auch nicht
durch eine adäquate Betreuung) beeinflusst werden kann.
Diese Grundeinstellung ist nach Kitwood typisch für
die Sichtweise der "alten Pflegekultur" und dem
"Standardparadigma" und kann auch als Art Rechtfertigung
für eine reduzierte Betreuung dementer Menschen, nach
dem Motto "Bei Demenz kann man sowieso nichts machen!"
dienen.
Keine klaren Ergebnisse bringt die Untersuchung hinsichtlich
der Einschätzung des Wohlbefindens der dementen Heimbewohner
durch das Pflegepersonal, da der Großteil der Items
zu diesem Themenkomplex mit "teils/teils" beantwortet
wurde. Einige Daten zu bestimmten Items weisen jedoch eine
Tendenz auf. Die Pflegepersonen gaben an, im Pflegealltag
häufiger ("trifft eher zu") die Verhaltensweisen
"ängstliches Verhalten", "Misstrauen",
"Rückzug aus der Realität" und starke
Stimmungsschwankungen bei den dementen Menschen zu beobachten.
Das Item "Überwiegend sind die dementen Menschen
ausgeglichen und gutgelaunt" wurde eher verneint ("trifft
eher nicht zu"). Meines Erachtens sprechen diese Ergebnisse
mehr für ein "Unwohlsein" als für ein
Wohlbefinden der dementen Heimbewohner. Ich bin davon überzeugt,
dass gerade hier die Umsetzung von Betreuungskonzepten,
welche auf eine vertrauensvolle Pflegebeziehung abzielen,
eine Chance zur Verbesserung darstellen.
Beim Vergleich der Betreuungspersonen mit und ohne Konzeptkenntnisse
zum Themenkomplex "Arbeitszufriedenheit" (Hypothese
2 und Fragestellung 2) ergab die Auswertung der Untersuchungsdaten
einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen.
Es herrschte zwar im wesentlichen Einigkeit über die
Zufriedenheit mit äußeren Arbeitsbedingungen,
die Arbeitsbelastung durch die Tätigkeit mit dementen
Menschen wurde jedoch von den Pflegepersonen in Abhängigkeit
zu den Konzeptkenntnissen signifikant unterschiedlich bewertet.
Etwa 65% des Pflegepersonals mit Konzeptkenntnissen gab
an, durch die Arbeit mit dementen Menschen gar nicht bis
etwas belastet zu sein. Dagegen fühlten sich Pflegekräfte
ohne Konzeptkenntnisse zu zirka 65% deutlich bis sehr stark
belastet.
Aufgrund dieses Ergebnisses der Untersuchung kann vermutet
werden, dass die Integration eines Betreuungskonzepts in
die Pflegeplanung noch viel weitreichendere Auswirkungen
im Hinblick auf eine Reduzierung der subjektiven Arbeitsbelastung
der Pflegepersonen haben könnte als die reine Kenntnis
von Betreuungskonzepten. Insbesondere an diesem Punkt lässt
sich auch noch einmal verdeutlichen, wie dringend notwendig
die modellhafte Einführung von Betreuungskonzepten
und die gleichzeitige kontrollierte Erfassung ihrer Auswirkungen
ist.
Die vorangegangenen Ausführungen weisen auf viele Defizite
in der Betreuung dementer Menschen in den Altenheimen der
Stadt Marburg hin. An dieser Stelle soll aber auch Positives
erwähnt werden. So war ich zum Beispiel angenehm davon
überrascht, dass viele Heimleitungen der untersuchten
Altenheime dem Thema Demenz eine große Offenheit und
ein starkes Interesse entgegenbringen und oft durchaus auch
ein Bewusstsein für die Defizite in der Betreuung dementer
Heimbewohner vorhanden ist. Auch das Pflegepersonal bringt
diesem Thema offensichtlich Interesse entgegen, wofür
meines Erachtens die für eine schriftliche Befragung
hohe Rücklaufquote der Untersuchung spricht.
Das vorhandene Problembewusstsein zusammen mit den aktuellen
Bestrebungen (in Form des Bundesmodellprojektes), die Dementenbetreuung
in Marburg zu optimieren, lässt in meinen Augen hoffen,
dass sich zukünftig ein Wandel in der Dementenbetreuung
in den Altenheimen Marburgs vollzieht. Ich bin überzeugt
davon, dass sich daraus positive Auswirkungen sowohl für
die dementen Menschen als auch für die Betreuungspersonen
ergeben werden.