-Anne Wächtershäuser-
Dipomarbeit zum Thema Demenz:
Konzepte für die Betreuung dementer Menschen. 
Theoretische Modelle und ihre Umsetzung in der Praxis
am Beispiel von Altenheimen in Marburg
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Konzepte für die Betreuung dementer Menschen. 
Theoretische Modelle und ihre Umsetzung in der Praxis
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Theoretische Modelle und ihre Umsetzung in der Praxis
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5 Betreuungskonzepte
 
 
-Anne Wächtershäuser-
Dipomarbeit zum Thema Demenz:
Konzepte für die Betreuung dementer Menschen. 
Theoretische Modelle und ihre Umsetzung in der Praxis
am Beispiel von Altenheimen in Marburg
 
 

In diesem Abschnitt werden ausgewählte Betreuungskonzepte vorgestellt, wobei vor allem umfassendeKonzepte berücksichtigt werden, die einen komplexen Ansatz zur Betreuung von dementen Menschen bieten. Auf andereKonzepte, die ebenfalls in der Betreuung eingesetzt werden, aber eher spezielle therapeutische Interventionen darstellen (z.B. Kunsttherapie, Musiktherapie, basale Stimulation), wird nicht näher eingegangen.

5.1 Realitätsorientierungstraining
Das Realitätsorientierungstraining (ROT) ist ein verhaltenstherapeutischer Ansatz, der 1958 von J. Folsom, später unter Mitarbeit von L. R. Taulbee, in den USA entwickelt wurde. Zunächst war dieses Konzept zur Rehabilitation von Kriegsopfern gedacht, wurde dann aber auch in die Arbeit mit verwirrten Menschen in Pflegeheimen eingeführt (Kitwood, 2000, S. 87). Es war also nicht speziell für Demenzkranke konzipiert, sondern allgemein für Menschen mit Gedächtnisverlust, Verwirrtheit und Orientierungsschwierigkeiten in Institutionen, unabhängig von der zugrundeliegenden Krankheit (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.5). Nach Folsom verfolgt das ROT das primäre Ziel, die Gedächtnisleistung zu steigern und die zeitliche, örtliche und personelle Orientierung zu verbessern. Außerdem soll die Identität der Verwirrten erhalten und ihre Selbständigkeit, ihr Wohlbefinden und ihre soziale Kompetenz gefördert werden. Erwähnenswert ist auch die mit der Anwendung des ROT angestrebte Steigerung der Arbeitszufriedenheit des Personals, welche zu den Zielsetzungen des ursprünglichen Konzepts zählt (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.5).

Praktische Umsetzung
Das von Folsom entwickelte Konzept wird in seiner ursprünglichen Form nicht mehr angewendet. Es lassen sich aber Teilaspekte daraus in unterschiedlichen, später entwickelten Betreuungskonzepten, z.B. in der Milieutherapie (vgl. Kap. 5.2), wiederfinden. Herbert Mück bemerkt dazu: "Der Begriff ROT diente bislang eher als Sammeltopf für viele unterschiedliche umweltorientierte Behandlungsansätze." (Mück, 2001). Im Folgenden wird die praktische Anwendung des ROT anhand des drei Komponenten umfassenden Konzepts von Folsom vorgestellt. (Quellen: Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.5; Schaller, 1999, S. 67-69; Wolter-Henseler, 1999).

Komponente 1: Das Einstellungstraining des Personals
Für die Anwendung des ROT ist die Vorbereitung des Pflegepersonals entscheidend, "da sich mit einer rein technischen Anwendung des ROT kaum der gewünschte Erfolg erzielen lässt." (Schaller, 1999, S. 67). In Form von Schulungen werden dem Personal Grundgedanken und Prinzipien des Konzepts mit dem Ziel vermittelt, sie für die praktische Umsetzung zu motivieren. Das Einstellungstraining soll dem Personal eine positive Grundhaltung gegenüber verwirrten Menschen nahe bringen, d.h. sie sollen davon überzeugt werden, dass diese Personengruppe gezielt und mit Erfolg unterstützt werden kann. Daneben wird der empathische, respektvolle Umgang mit dementen Menschen und die Wichtigkeit, über biographische Kenntnisse des Einzelnen zu verfügen, betont. Als ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts gilt außerdem eine gute Teamarbeit und die Beteiligung des gesamten Personals, da davon ausgegangen wird, dass nur dies eine einheitliche Haltung und Umgangsweise gegenüber den verwirrten Menschen gewährleistet. Die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern soll durch regelmäßig stattfindende Teamsitzungen gefördert werden, die gleichzeitig Gelegenheit geben, über Probleme bei der Anwendung des ROT zu diskutieren.

Komponente 2: Das 24-Stunden-ROT
Das Ziel des 24-Stunden-ROT ist es, "den Alltag der dementiell erkrankten alten Menschen ‚rund um die Uhr' so zu gestalten, dass ihre Orientierungsfähigkeit unterstützt wird." (Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.5). Die orientierungsunterstützenden Maßnahmen betreffen hauptsächlich die Kommunikation und die Umgebungsgestaltung. Jede Interaktion zwischen Pflegekraft und Demenzerkrankten stellt nach diesem Konzept eine Möglichkeit dar, Informationen zur Realität zu geben. Diese beziehen sich z.B. auf die aktuelle Zeit, den Ort oder Personen. Alle Handlungen werden von der Pflegekraft kommentiert und Fragen des Betreuten wahrheitsgemäß beantwortet. Formuliert der demente Mensch falsche Aussagen oder zeigt desorientiertes Verhalten, wird dies von der Pflegeperson korrigiert, sofern es sich nicht um sehr sensible Themenbereiche handelt. In der Anwendung des 24-Stunden-ROT wird die Vermittlung von Erfolgserlebnissen betont, indem z.B. leicht zu beantwortende Fragen gestellt werden und orientiertes Verhalten und der Realität entsprechende Äußerungen der Demenzerkrankten vom Pflegepersonal positiv verstärkt werden. Insgesamt soll durch dieses Vorgehen ein Realitätsbezug und ein Bewusstsein für das reale Geschehen hergestellt und die Kommunikationsfähigkeit des Dementen gefördert werden.
Neben der verbalen Kommunikation soll auch die Umgebung die räumliche und zeitliche Orientierung unterstützen. Die Räumlichkeiten sollen einen wohnlichen Charakter aufweisen und überschaubar und anregend gestaltet sein. Empfohlen werden auch Orientierungshilfen, wie das Anbringen großer Uhren und Kalender, Wegweiser, Namensschilder, die farbliche Gestaltung verschiedener Funktionsbereiche im Altenpflegeheim und die freie Verfügbarkeit anregender Materialien, wie z.B. Fotos, Spiele, Zeitschriften und Radio. Zur Umsetzung des 24-Stunden-ROT gehört des weiteren die Strukturierung des Heimalltags, d.h. ein regelmäßig wiederkehrender Tagesablauf.

Komponente 3: Gruppensitzungen
Das 24-Stunden-ROT wird durch täglich stattfindende Gruppensitzungen für die dementen Heimbewohner unter der Leitung von ein bis zwei Mitarbeitern der Institution erweitert. Das Gruppenangebot soll dabei jeden Tag in den gleichen Räumlichkeiten und zur selben Tageszeit stattfinden und maximal 60 Minuten dauern. Auch die Zusammensetzung der einzelnen Gruppen sollte nicht variieren. Die empfohlene Teilnehmerzahl beträgt 3 bis 6 Personen, die in Bezug auf den Schweregrad der Demenz möglichst homogen sein sollen. In den Gruppensitzungen werden den Teilnehmern Informationen zur Orientierung, z.B. zu Personen, Zeit, Ort und Alltagstätigkeiten, vermittelt. Dies soll auf eine möglichst abwechslungsreiche Art und Weise geschehen, z.B. in Form von Gesprächsrunden, Gedächtnisspielen, Spaziergängen und alltagsnahen Aktivitäten, wie gemeinsames Einkaufen und Kochen.
Ziel ist es hier, die Anteilnahme des dementen Menschen an seiner Umwelt und an der Realität zu fördern. Besonders durch die Vermittlung von Erfolgserlebnissen und der Förderung sozialer Kontakte und Kommunikation, soll der soziale Rückzug der dementen Menschen verhindert, ihre kognitive Leistungskraft erhalten und ihr Wohlbefinden insgesamt gesteigert werden.

In der praktischen Arbeit mit dementen Menschen wird das ROT in seiner ursprünglichen Form nicht mehr angewandt, da es sich zeigte, dass der korrigierende Ansatz des Konzepts eine Belastung für den Erkrankten darstellt und nur wenig erfolgversprechend ist. Das Konzept hat sich dahingehend weiterentwickelt, dass von dem korrigierendem Ansatz Abstand genommen wurde und die Schwerpunkte heute auf den externen Orientierungshilfen, der Wohnraumgestaltung und der Tagesstrukturierung liegen, die sich auch in anderen Betreuungskonzepten für demente Menschen finden. (vgl. Baier, 2001, S. 392).

5.2 Milieutherapie
"Unter Milieutherapie wird ein therapeutisches Handeln zur Anpassung der materiellen und sozialen Umwelt an die krankheitsbedingten Veränderungen der Wahrnehmung, des Empfindens, des Erlebens und der Kompetenzen (der Verluste und der Reserven) der Demenzkranken verstanden." (Wojnar 2001c, S. 155).
Die Milieutherapie stellt ein umfassendes Betreuungskonzept dar, in dessen Zusammenhang sich der Begriff "Milieu" sowohl auf die räumliche Umgebung als auch auf Umgangsformen und Aktivitäten bezieht (vgl. Baier, 2001, S. 391). Es soll eine Verbesserung des gesamten therapeutischen Milieus, besonders in Langzeiteinrichtungen (Altenheime, Pflegeheime) erzielt werden, wobei psychische Bedürfnisse der Demenzkranken im Vordergrund stehen. Körperliche Pflege spielt in diesem Konzept ein nachrangige Rolle. Die therapeutische Wirkung resultiert nicht nur aus Einzelkomponenten der baulichen Umgebung als Milieu, "sondern vom Zusammenwirken aller Umweltkomponenten (Bau, psychosoziales Milieu, Organisation)." (Heeg, 2001, S. 111).

Theoretischer Hintergrund
In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur Entstehung bzw. zur konzeptionellen Einordnung der Milieutherapie. Nach Wächtler et al. ist die Milieutherapie eher eine spezifische Form des ROT (vgl. Kap. 5.1). Andere (Lind und Heeg) stellen eher einen Bezug zu Lawtons "Umweltanforderungs-Kompetenz-Modell" her. Dessen Kernaussage lautet, "dass durch altersbedingte Veränderungen die Umweltkompetenz alter Menschen abnehmen kann" (Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.1). Umweltkompetenz bedeutet in diesem Zusammenhang eine gelungene Anpassung an Umweltanforderungen, die einen "Anforderungsdruck" auf die betroffene Person ausüben. Die Anpassung an diesen Druck ist von individuellen Ressourcen abhängig und wird durch Außenbedingungen, wie dingliche oder soziale Umwelt, erschwert oder erleichtert. Im optimalen Fall herrscht ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Umwelt und der Umweltkompetenz, darauf zu reagieren. Dieses Gleichgewicht stellt die Voraussetzung für eine hohe Lebenszufriedenheit dar. Entspricht die Kompetenz nicht dem Anforderungsdruck, so kann es zu einer Unter- oder Überforderung kommen, die von einer niedrigen Lebenszufriedenheit begleitet wird. Um ein solches Ungleichgewicht zu korrigieren, können sowohl die individuellen Ressourcen gestärkt werden als auch eine Anpassung der Umweltanforderungen (Außenbedingungen) erfolgen (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.1).
Für demente Menschen, die oft eine starke Einschränkung ihrer Umweltkompetenz erfahren, steht, da in diesem Fall die individuellen Ressourcen nur bedingt änderbar sind, die Anpassung der dinglichen und sozialen Umwelt im Vordergrund, um die Lebenszufriedenheit zu verbessern. Durch kognitive Störungen verlieren demente Menschen "die Fähigkeit zu einer realistischen Beurteilung der Umgebung und zur Anpassung ihres Verhaltens an die sozialen Normen und Erwartungen. ... Mit einer abnehmenden Anpassungsfähigkeit wächst die Bedeutung einer flexiblen, ‚prothetischen' Umgebung, die den Kranken akzeptiert, unterstützt und nicht überfordert." (Wojnar, 2001a, S. 40f.). Die adäquate Gestaltung der Umgebung bekommt so eine Schutzfunktion: Sie soll Quellen der Überforderung abbauen und Sicherheit und Geborgenheit ausstrahlen. Die so gestaltete Umgebung hat die Aufgabe, die Selbständigkeit zu erhalten und zu fördern und das Selbstwertgefühl zu stärken.
"Die Milieutherapie soll den Demenzkranken ein menschenwürdiges, der persönlichen Lebensgeschichte angepasstes und vom pathologischen Stress befreites Leben, trotz der zunehmenden Adaptationsstörungen an ihre Umwelt, ermöglichen." (Wojnar, 2001c, S. 155). Zusätzlich soll hierdurch die Belastung für die Betreuenden reduziert werden.

Praktische Umsetzung
Es lassen sich drei Kernelemente der Milieutherapie herausstellen:

1. Soziale Umgebung
Es wird ein einheitliches Konzept gefordert, an dessen Planung und Umsetzung sich alle Mitarbeiter beteiligen. Eine enge Zusammenarbeit aller Berufsgruppen ist dabei Voraussetzung für ein günstiges therapeutisches Milieu.
Ein weiterer Baustein der sozialen Umgebung ist die sogenannte "Beziehungskonstanz", womit feste Bezugspersonen für die Betreuten gemeint sind. Es soll eine persönliche Beziehung zwischen Demenzerkrankten und Mitarbeitern aufgebaut werden. Die Basis dafür ist die Grundhaltung dem Erkrankten gegenüber (Respekt, Akzeptanz, Partnerschaftlichkeit, Kritikvermeidung, Bestätigung der Realität des dementen Menschen). Der Umgang soll einfühlsam, geduldig und sensibel sein und Biographiewissen wird für einen positiven Umgang und das Verständnis gefordert. "Wenn das Wissen um die ganze Person mit den wesentlichen Lebensereignissen beim Pflegepersonal präsent ist, dann besteht eher die Möglichkeit, vom stereotypen Fremdbild ‚dement, abgebaut, kommunikationsunfähig, schwerstpflegebedürftig' abzukommen." (Lind, 2001, Kap. 1.5).
Die Kommunikation soll dem Kommunikationsstil von dementen Menschen angepasst sein. Dies betrifft die verbale Ausdrucksweise (deutlich, langsam, einfache Sätze) genauso wie den Einsatz nonverbaler Kommunikationsmittel (Blickkontakt, Berührungen, Gesten) (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.1). Lind betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Kommunikation während der Pflegehandlungen, d.h. die Einbeziehung des dementen Menschen in die Pflegeprozedur (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.3).Obwohl als Gestaltungsprinzipien Stetigkeit, Beständigkeit und Kontinuität als die wichtigsten herausgestellt werden, so ist es gleichzeitig die Flexibilität in der ständigen Anpassung der Handlungen an die Bedürfnisse des Einzelnen, die eine Über- oder Unterforderung vermeiden hilft (vgl. Lind, 2001. Kap. 2 u. 3).
Eine weitere Voraussetzung für eine optimale soziale Umgebung ist das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, da sich ein schlechtes Arbeitsmilieu negativ auf das Lebensmilieu und somit auf das Wohlbefinden der dementen Menschen auswirkt. "In der Kongruenz beider Teilbereiche liegt der Schlüssel für ein Optimum an Pflegeleistungen u.a. in Gestalt der Zufriedenheit der Bewohner und der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter, denn zwischen Lebens- und Arbeitsmilieu besteht ein striktes Interdependenzverhältnis." (Lind, 2001, Kap. 1.1). Die Arbeitszufriedenheit ist u.a. abhängig vom Grad der Mitgestaltung und Mitbestimmung des Pflegepersonals, dem Personalschlüssel, Fortbildungsangeboten und Supervision, sowie einer geringen Fluktuation des Personalstammes (vgl. Wojnar, 2001c, S. 159).
Ebenfalls in die Betreuung mit einbezogen werden sollen die Angehörigen der Betreuten. Kontakte sollen gefördert werden, damit für die dementen Menschen kein Bruch in ihrem Beziehungsgefüge entsteht. In einem beiderseitigen Lernprozess sollen Angehörige und professionelle Betreuer zu einem besseren Verständnis des Betreuten kommen (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.5).


2. Tagesstrukturierung
Infolge der gestörten räumlichen, zeitlichen und personellen Orientierung ist es für demente Menschen schwer, ihren Tag eigenständig zu strukturieren oder sich sinnvoll zu beschäftigen. Aus diesem Grund gehört zu einer Optimierung des "Milieus" auch eine fest vorgegebene Tagesstruktur, in der sich Aktivitäten und Ruhephasen abwechseln (Intervallkonzept). Dabei sollte jeder Tag gleich strukturiert sein, um ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln. Eine weitere Zielsetzung der Tagesstrukturierung ist die Vermittlung des Gefühls der Bestätigung, die Steigerung des Selbstwertgefühls und des Wohlbefindens (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.4).
Die dementengerechten Angebote im Tagesprogramm sollen vor allem die niedrige Konzentrationsfähigkeit, besonders bei Demenzerkrankten im fortgeschrittenem Stadium, und die Kompetenzen des Einzelnen berücksichtigen. Die aktivierenden Angebote können sowohl vertraute (z.B. Wäsche bügeln) als auch unvertraute Handlungen (z.B. das Sortieren von Gegenständen) beinhalten. Zu beachten ist hier, dass es zu keiner Überforderung durch eine Reizüberflutung, aber auch zu keiner Unterforderung aufgrund einer fehlenden Stimulierung von außen kommt. Lind empfiehlt deshalb eine Vorgehensweise, die dem Intervallkonzept folgt. "In der Praxis hat sich das Intervallkonzept Aktivierungsphase mit anschließender Beruhigungsphase als sehr effektiv und milieufördernd herausgestellt." (Lind, 2001, Kap. 1.4).
Zum strukturierten Tagesablauf gehört auch das regelmässige Treffen von Gruppen. Hier sollen Bedürfnisse nach sozialen Kontakten befriedigt und sozialer Isolation entgegengewirkt werden. Wichtig ist das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein, die allerdings möglichst klein sein sollte, da sonst eher Überforderung die Folge der Gruppenarbeit ist, die z.B. Aktivitäten wie Singen, Spielen, Bastelarbeiten oder auch Spaziergänge beinhalten kann (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.4).
Trotz des relativ festen Rahmens im Tagesablauf soll der Spontaneität und den Wünschen der dementen Personen keine zu feste Begrenzung gesetzt werden, was auch als "Milieu à la Carte" bezeichnet wird. Außerdem sollte den dementen Menschen die Teilnahme an Aktivitätsangeboten freigestellt sein (vgl. Wojnar, 2001c, S. 159).

3. Architektonisch-räumliche Umgebung
Eine dementengerechte räumliche Umgebung muss primär die Funktionen "Schutz" und "Aktivierung" erfüllen. Gelingt die Umsetzung, hat dies sowohl positive Auswirkungen auf die dementen Menschen als auch auf die betreuenden Personen, die von der Überschaubarkeit der Räume und einer höheren Kontaktdichte zwischen Personal und Betreuten profitieren kann (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.6).
Eine optimierte Raumstruktur beinhaltet daher überschaubare Räumlichkeiten, was z.B. auch durch Glaswände oder Glastüren erreicht werden kann. Weiterhin soll die Raumstruktur möglichst barrierefreie Wege bieten, um dem Bewegungsdrang dementer Menschen entgegenzukommen. Als wichtig wird hier z.B. die Vermeidung von Flurenden (Sackgassen) angesehen, die durch die Bewegungseinschränkung zu Unsicherheit oder Überforderung und damit auch zu unangemessenem Verhalten führen können. Positiv im Sinne der Barrierefreiheit sind beispielsweise Endlosflure und Rundwege (vgl. Heeg, 2001, S. 111). Selbstverständlich erfolgt eine Kontrolle über die Ein- und Ausgänge der Station, dabei sollten die Ein- und Ausgänge allerdings zur psychosozialen Entlastung der Bewohner möglichst versteckt sein (vgl. Lind, 2001, Kap. 1.6). Zusätzlich sorgt eine individuelle und wohnliche Gestaltung durch kleine Wohneinheiten, alte Möbel (auch von zu Hause) oder persönliche Gebrauchsgegenstände für eine vertraute, heimische (und nicht Heim-) Atmosphäre (vgl. Lind, 2001, Kap. 2.4). Ausreichende Beleuchtung verhindert die Entstehung von illusionären Verkennungen und optischen Halluzinationen und durch eindeutige Helligkeit zur Tagzeit wird die Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus gefördert (vgl. Wojnar, 2001c, S. 157f.). Ebenso wichtig ist ein niedriger Geräuschpegel, bzw. auch unaufdringliche Musik. Verschiedene gleichzeitig auftretende akustische Signale sollten vermieden werden. Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine visuelle und akustische Überreizung vermieden werden soll (vgl. Wojnar, 2001c, S. 157).
Durch die Stimulierung mittels des räumlichen Milieus soll eine Anregung zur Eigen- oder Gruppenbeschäftigung erfolgen. Dies kann auf unterschiedlichste Weise erreicht werden. Beispiele sind leicht zugängliche Regale mit Wäsche oder Küchenutensilien, Haustiere, aber auch ein interessanter Fensterausblick oder Bilder u.ä. (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.4).
Der Zugang zu einem Garten oder Freigelände wird kontrovers beurteilt. Während hier einerseits eine bedrohliche Wirkung durch Verlassen des Schutzraums eventuell gefördert wird, kann aber andererseits auch positives Erleben (Naturbezug, Freiheit) gefördert werden (vgl. Egidius, 1997, Kap. V. 2.3.4).

5.3 Validation
Das Konzept der Validation wurde von Naomi Feil zwischen 1963 und 1980 entwickelt. Sie arbeitete als Sozialarbeiterin in den USA und gibt als Grund für die Entwicklung ihres Konzepts ihre negativen Erfahrungen mit dem ROT an: "Ich gab das Ziel der Orientierung auf die Realität auf, als ich bemerkte, dass die Gruppenmitglieder sich immer dann zurückzogen oder zunehmend feindselig wurden, wenn ich sie mit der unerträglichen Realität der Gegenwart zu konfrontieren versuchte." (Feil, 2000, S. 9).
Das Betreuungskonzept besteht im besonderen aus Kommunikationstechniken, die in der Betreuung von dementen Menschen angewendet werden sollen. Der Schlüssel zu einer adäquaten Kommunikation mit ihnen ist dabei die Validation (von lat. validus = kräftig; engl.: valid = gültig), also das "Für-Gültig-Erklären" der Erfahrung und der subjektiven Wirklichkeit eines anderen Menschen. Die Kommunikation bezieht sich durch das aktive Anerkenn en der Emotionen des dementen Menschen stark auf die Gefühlsebene. Voraussetzung für den damit verbundenen Versuch, den gesamten Bezugsrahmen einer Person zu verstehen, ist ein hohes Maß an Empathie (vgl. Baier, 2001, S. 393; Kitwood, 2000, S. 88). "Es handelt sich dabei eher um Umgangsprinzipien mit dem Erkrankten als um ein Therapieverfahren." (Bernhardt, o.J.). Die persönliche Sichtweise des Demenzerkrankten wird dabei in den Mittelpunkt der Therapie gestellt, wobei wichtige Verhaltensregeln für den zu Betreuenden einzuhalten sind. So soll z. B. die subjektive Realität des Betroffenen nicht korrigiert oder in Frage gestellt werden (vgl. Baier, 2001, S. 393).
Zur besseren Erläuterung des Konzepts sollen im Folgenden die wichtigsten Punkte zur Validation aus der Sicht von Naomi Feil dargestellt werden. Die Seitenangaben beziehen sich auf ihr Buch "Validation. Ein Weg zum Verständnis verwirrter alter Menschen" (Feil, 2000).

Grundprinzipien
Validieren bedeutet, die Gefühle eines Menschen anzuerkennen und für wahr zu erklären. Durch ein gutes Einfühlungsvermögen soll versucht werden, in die innere Erlebniswelt des desorientierten Menschen vorzudringen, "in den Schuhen des anderen [zu] gehen" (S. 11). Dabei kommt es zum Aufbau von Vertrauen, Sicherheit, Stärke und Selbstwertgefühl. Verbale und nonverbale Signale der Erkrankten sollen aufgenommen und in Worten wiedergegeben werden (vgl. S. 11).

Anwendung der Technik "Validation"
Feil definiert die Validationstechnik und die Validationsziele folgendermaßen (S. 11):
"Validation ist:
· eine Entwicklungstheorie für sehr alte, mangelhaft/unglücklich orientierte und desorientierte Menschen
· eine Methode, ihr Verhalten einzuschätzen
· eine spezifische Technik, die diesen Menschen hilft, durch individuelle Validation und Validationsgruppen ihre Würde wiederzugewinnen"

"Validationsziele sind:
· Wiederherstellen des Selbstwertgefühls
· Reduktion von Stress
· Rechtfertigung des gelebten Lebens
· Lösen der unausgetragenen Konflikte aus der Vergangenheit
· Reduktion chemischer und physischer Zwangsmittel
· Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation
· Verhindern eines Rückzugs in das Vegetieren
· Verbesserung des Gehvermögens und des körperlichen Wohlbefindens" (S. 11).

Theoretischer Hintergrund
Der Validation liegen verschiedene Prinzipien aus dem Bereich der Psychologie zugrunde. Hier werden u. a. Carl Rogers ("Akzeptieren Sie Ihren Patienten, ohne ihn zu beurteilen") und C. G. Jung ("Gefühle, die ausgedrückt und dann von einem vertrauten Zuhörer bestätigt und validiert wurden, werden schwächer, ignorierte oder geleugnete Gefühle stärker") genannt (S. 12).
Theoretischer Schwerpunkt der Validation als Betreuungskonzept ist die von dem Psychologen Erik Erikson entwickelte Theorie der Lebensstadien und Aufgaben:
Erikson unterteilt den menschlichen Lebenszyklus in acht Entwicklungsstufen mit spezifischen Entwicklungsaufgaben oder Krisen, wobei sich die Aufgaben mit dem Alter ändern. Ob bestimmte Lebensaufgaben gelöst werden, hängt davon ab, wie die Aufgaben in früheren Lebensabschnitten bewältigt wurden. Im letzten Lebensabschnitt "Alter" lautet die Lebensaufgabe: Leben resümieren.
Die erfolgreiche Bewältigung besteht in der Wahrung der persönlichen Integrität. "Integrität im Alter heißt, seine Stärken trotz seiner Schwächen zu erkennen." (S. 18).
Bestehen unbewältigte Aufgaben aus früheren Lebensabschnitten, so ist die Wahrscheinlichkeit, diese Aufgabe zu lösen, gering, und es ist keine positive Lebensbilanz möglich. Die Folge ist Verzweiflung und das Hervortreten lebenslang unterdrückter Gefühle. "Mit einer Last, die unerträglich wird, gehen wir ins hohe Alter." (S.19). Daraus resultieren Niedergeschlagenheit und Depression, das Leben wird nicht mehr als lebenswert empfunden (vgl. S. 13-20).
Feil fügt diesem Stadienmodell von Erikson einen weiteren Lebensabschnitt "hohes Alter" hinzu, da die Lebenserwartung gestiegen ist. Dies ist das "Stadium jenseits der Integrität", in dem die spezifische Lebensaufgabe "Vergangenheit aufarbeiten" lautet. Personen, die im Lebensstadium "Alter" (nach Erikson) die Lebensaufgabe "Leben resümieren" durch "Wahrung ihrer Integrität" erfolgreich lösten, haben im "Stadium jenseits der Integrität" keinen Bedarf an der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit und damit die Voraussetzung, in Frieden zu sterben. Ist dies bei desorientierten oder verwirrten Personen nicht der Fall, so kehren sie in die Vergangenheit zurück, um ungelöste Aufgaben, bzw. ungelöste Gefühle des bisherigen Lebens, aufzuarbeiten. Dieser Aufarbeitungsprozess kann nur mit Unterstützung von außen, mit Validation, erfolgreich verlaufen. Ziel ist eine validierende Begleitung des Aufarbeitungsprozesses, denn "wenn diese verschiedenen Gefühle jedoch bestätigt und validiert werden, zerstreuen sie sich" (S. 21) Erfolgt diese Stimulierung von außen nicht, "werden sie zu den lebenden Toten in unseren Pflegeheimen" (S.21), d.h. sie ziehen sich in das Stadium des Vegetierens zurück.

Unterformen im "Stadium jenseits der Integrität"
Feil definiert vier Unterformen, wobei jede einem weiteren Rückzug aus der Realität entspricht. Eine Person kann innerhalb von Minuten das "Unterstadium" wechseln, befindet sich jedoch überwiegend in demselben (vgl. S. 49).

Unterstadium der mangelhaft/unglücklichen Orientierung:
Hier sind kognitive Fähigkeiten weitestgehend intakt, die Betroffenen sind sich ihrer gelegentlichen Verwirrung bewusst. Sie leugnen Gefühle und Erinnerungslücken und suchen die Schuld für Verluste bei anderen, dabei projizieren sie Konflikte aus der Vergangenheit auf Personen der Gegenwart. Die Angst vor weiteren Verlusten führt zu Verhaltensweisen wie "Hamstern" und "Horten" (z.B. Nahrungsmittel, Zeitungen, Servietten). Demente Menschen in diesem Stadium klammern sich an die Realität und halten an ihren gesellschaftlich vorgeschriebenen Rollen fest. Sie sind verletzlich, lehnen Berührungen und Blickkontakt ab und zeigen eine angespannte körperliche Haltung (vgl. S. 52-54).

Unterstadium der Zeitverwirrtheit:
Dieses Stadium ist geprägt durch die Zunahme an körperlichen und sozialen Verlusten, die nicht mehr geleugnet werden. Vielmehr versuchen die Betroffenen, sich in die Vergangenheit zurückzuziehen und orientieren sich nicht mehr an der Realität. Auf der Gefühlsebene bedeutet dies eine Rückkehr zu universellen Gefühlen wie Liebe, Hass, Trauer, Angst u.a. und den Versuch, angenehme Emotionen aus der Vergangenheit wachzurufen.
Demente Menschen in diesem Stadium drücken ihre Gefühle direkt aus. Sie verlieren die Fähigkeit, ihrer gesellschaftlichen Rolle zu entsprechen, und die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation ist eingeschränkt. Die Betroffenen zeigen eine entspannte Körperhaltung und reagieren positiv auf Körper- und Blickkontakt (vgl. S. 54-57).

Unterstadium "Sich-wiederholende-Bewegungen":
Hier erfolgt ein Rückzug in vorsprachliche Bewegungen und Klänge. "Körperteile werden zu Symbolen. Bewegungen ersetzen Worte." (S. 57).
Die Sprache wird unverständlich und der Gebrauch von "frühen Sprachformen" und Bewegungen dient als Transportmedium in die Vergangenheit. "Die Person ist nicht mehr allein, mit den Bewegungen des Säuglings, der sprechen lernt, hat sie ihre Mutter wieder zu sich geholt." (S. 58) Gegenstände, Körperteile und Personen gewinnen immer stärkeren Symbolcharakter für Vergangenes. Die Betroffenen ziehen sich in Isolation und Eigenstimulanz, z.B. in Form von sich wiederholenden Bewegungen oder Klangäußerungen, zurück. Sie sind inkontinent und kommunizieren nur bei Blickkontakt und Körpernähe (vgl. S. 57-60).

Unterstadium des Vegetierens:
In diesem Stadium "verschließt sich der Mensch völlig vor der Außenwelt und gibt das Streben, sein Leben zu verarbeiten, auf." (S. 60). Es besteht ein minimaler Eigenantrieb, der gerade zum Überleben ausreicht. Die Betroffenen zeigen kaum Gefühle, kaum wahrnehmbare Bewegungen und halten die Augen meist geschlossen (vgl. S. 60f.).

Zielgruppe für Validation
Die Zielgruppe sind desorientierte, sehr alte Menschen (über 80 Jahre), die sich in einem der vier Unterstadien des Lebensabschnitts "Jenseits der Integrität" befinden, welches Feil auch als Stadium "Aufarbeiten oder Vegetieren" bezeichnet (vgl. S. 29-31).
Feil wendet sich gegen eine einheitliche Bezeichnung "Demenz" oder "Alzheimer-Demenz". Ihrer Meinung nach ist die senile Demenz im Gegensatz zur präsenilen Demenz keine eindeutige Erkrankung, da Neurofibrillen und Plaques im Alter normal seien. Zudem sei das gezeigte Verhalten beider Gruppen auch im Hinblick auf die Reaktion auf Validation unterschiedlich. "Senile Demente ... sind jene, die ich als desorientierte, sehr alte Menschen bezeichne." (S. 34). Dies ist die Gruppe, die der Validation zugänglich ist (vgl. S. 31-35).

Praktische Umsetzung von Validation
a) Validationsanwender
Die Einstellung gegenüber dementen Menschen ist für die Anwendung von Validation wichtiger als die konkreten Techniken. Es muss akzeptiert werden, dass der Rückzug in die Vergangenheit eine Methode des Überlebens bedeuten kann. "Validations-Anwender, kurz VA genannt, urteilen nicht, sie akzeptieren und achten die Weisheit der alten Menschen." (S. 35).
Aufgabe des VA ist die Hilfestellung bei der Erfüllung der letzten Lebensaufgabe. Er soll vertrauensvoll zuhören, Gefühle bestätigen und ernstnehmen, diese aber nicht analysieren. Er soll Gefühle teilen können, und es soll ihm möglich sein "in das Leben des anderen [zu] schlüpfen, weil wir selbst schon viele Verluste erlitten haben." (S. 37). "Ein idealer VA ist jemand, der nach Erikson Erwachsenen-Intimität erlangt hat, Identität besitzt, sich von der elterlichen Autorität abgenabelt hat und sich ohne die Furcht, abgelehnt zu werden, ausdrücken kann." ( S. 37).
Feil betont, dass nicht jeder für die Anwendung von Validationstechniken geeignet ist. "Ein VA ist ein ‚Übermensch für 3 Minuten', denn er bringt für sehr alte, desorientierte Menschen Empathie auf und achtet ihre Gefühle als echte, ohne zu wissen, warum der alte Mensch sich so verhält." (S. 38).

b) Individuelle Validation
Diese erfolgt in den drei Schritten "Sammeln von Informationen", "Bestimmung des Stadiums" und "Anwendung von Validationstechniken".
Im ersten Schritt werden über mindestens zwei Wochen Informationen über die betreffende Person, ihr vergangenes Leben, die gegenwärtige Situation und ihre Zukunftsvorstellungen gesammelt. Dies kann durch das Gespräch mit Desorientierten, das Befragen von Angehörigen und das Beobachten der betroffenen Person geschehen. Im Gespräch soll darauf geachtet werden, dass Fragen keine Angst erzeugen. Dies wären z.B. Fragen nach Zeitspannen. Statt dessen sollen allgemeine Formulierungen verwendet werden. Feil unterscheidet "Hier und Jetzt"-Fragen, die sich auf die aktuelle Situation beziehen, (z.B. "Fühlen sie sich manchmal alleine?") von "Damals und Dort"-Fragen. Dies sind Fragen zur Vergangenheit, die sich auf Bewältigungsmechanismen bei schwierigen Situationen (z.B. "Wie überstanden Sie schwierige Zeiten?") und auf unbewältigte Lebensaufgaben (z.B. "Haben Sie eine gute Ehe geführt?") beziehen (vgl. S. 62-65).
Durch Beobachten sollen physische Charakteristika (die Art sich zu bewegen, Lachfalten, Sorgenfalten usw.) und nonverbaler Ausdruck (wie z.B. die Körperhaltung und Augenausrichtung) erkannt werden. Ein Ziel ist dabei das Herausfinden des bevorzugten Sinnesorgans (vgl. S. 65-67).
Im zweiten Schritt erfolgt die Bestimmung des Stadiums durch die Informationen, die zur Person gesammelt wurden. Da sich die Auswahl der Validationstechnik nach den einzelnen Unterstadien richtet, ist die richtige Zuordnung der desorientierten Person in das entsprechende Unterstadium von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. S. 67).
Darauf aufbauend erfolgt im dritten Schritt die Anwendung von Validationstechniken, die auf das Unterstadium abgestimmt sind.
Prinzipiell kann die individuelle Validation von unterschiedlichen VA praktiziert werden und an allen Orten mit Privatsphäre stattfinden, die ein vertrauliches Gespräch ermöglichen. "Die Putzfrau in einem Heim kann validieren, während sie das Zimmer aufräumt; die Pflegehelferin, wenn sie den alten Patienten zur Toilette bringt; die Schwester beim Austeilen der Medikamente; der Haustechniker, wenn er die Glühbirne auswechselt; der Gärtner beim Grasmähen; Angehörige bei einem Besuch." (S. 68). Die Dauer der Validierung ist abhängig von der Konzentrationsfähigkeit der desorientierten Person. Feil empfiehlt Kontaktzeiten bis maximal fünfzehn Minuten, je nach Stadium der Desorientierung. Die Interaktion sollte jedoch spätestens dann beendet werden, wenn sichtbare Zeichen verminderter Angst zu beobachten sind, z.B. regelmäßiger Atem, Lächeln, Abnahme sich wiederholenden Verhaltens (vgl. S. 67-69).
Im Folgenden werden Techniken vorgestellt, die Möglichkeiten zur Anwendung von Validation aufzeigen. "Es gibt keine Universalformel, da jeder Mensch anders ist. Alle VA müssen ihre eigene Methode finden, auf sehr alte, desorientierte Menschen einzugehen." (S. 69).

Feil legt dem VA nahe, vor der Validation eine Atemübung zur Konzentrationssteigerung durchzuführen, die sie als "Zentrieren" bezeichnet. Sie soll helfen, sich ganz auf eine andere Person einzulassen und die eigenen Gefühle auszublenden (vgl. S. 45, 116).
Außerdem betont sie, dass die körperlichen Charakteristika und Gefühlsäußerungen der verwirrten Person während der Validationsanwendung beobachtet werden sollen. Diese kann der VA mit unerfüllten Grundbedürfnissen (Liebe, Geborgenheit, nützlich sein, tiefe Gefühle ausdrücken) assoziieren (vgl. S. 116).
Einen großen Komplex der individuellen Validationsmethode bilden die verbalen Kommunikationstechniken. Feil gibt dazu folgende Empfehlungen (S. 116):
"Achten Sie auf die Wortwahl."
"Fragen Sie: wer, was, wo, wann, wie. (Vermeiden Sie warum)"
"Wiederholen Sie Schlüsselworte, umschreiben Sie sie, fassen Sie sie zusammen."
"Fragen Sie nach dem Extrem (Wie schlimm? Schlimmer? Am besten? ...)"
"Verwenden Sie mehrdeutige Pronomen (er, sie, es, jemand, der etc.), wenn sie [sic !] das Wortgestammel nicht begreifen."
"Rufen Sie in Erinnerung (Wie war es früher?)"
"Versuchen Sie das Gegenteil vorstellbar zu machen. (Wann war es besser? Gab es eine Zeit, wo das und das nicht passierte?)"
"Können wir gemeinsam eine kreative Lösung finden? Was taten Sie als das früher passierte? Finden Sie eine Methode heraus, die damals funktionierte."
"Sprechen Sie die Emotion laut und gefühlvoll aus. Spiegeln Sie das Gefühl."
"Singen Sie vertraute Lieder, die gefühlsmäßig passen."

Zusätzlich wird vorgeschlagen, Worte zu verwenden, die das bevorzugte Sinnesorgan der verwirrten Person ansprechen (z.B. visuelle Wörter, wie schauen, Bild, wahrnehmen, klar).
In der Validation von desorientierten Menschen im Stadium "mangelhafte/unglückliche Orientierung" kommen vor allem verbale Kommunikationstechniken zur Anwendung. In den Stadien "Zeitverwirrtheit" und "Sich-wiederholende-Bewegungen" werden, je nach verbaler Kommunikationsfähigkeit der betroffenen Person, immer mehr nonverbale Kommunikationstechniken eingesetzt. Im Stadium "Vegetieren" findet die Kommunikation fast ausschließlich auf der nonverbalen Ebene statt (vgl. S. 69-80).
In Bezug auf die nonverbalen Kommunikationstechniken macht Feil folgende Vorschläge (S. 116):
"Spiegeln Sie die Bewegung. Atmen Sie im gleichen Rhythmus."
"Berühren Sie: die Wangen, den Hinterkopf, die Kieferlinie, Schultern, Oberarme etc."
"Halten Sie echten Blickkontakt."

c) Validation in Gruppen
Eine Validation in Gruppen ist für Personen im Stadium "Zeitverwirrtheit" und "Sich-wiederholende-Bewegungen" geeignet. Diese "haben wenig Energie und Konzentrationsvermögen für Gespräche unter vier Augen." (S. 86)
Für Personen im Stadium "Mangelhafte/unglückliche Orientiertheit" ist eine Validationsgruppe weniger geeignet. "Der/die VA müßte eine solche verwirrte Person, die oft weint, klagt oder andere Gruppenmitglieder für ihre Fehler verantwortlich macht, in die Schranken weisen." (S. 86) Aufgrund der extrem reduzierten Kommunikationsfähigkeit kommen auch Betroffene im Stadium "Vegetieren" nicht für eine Gruppenvalidation in Frage.
Die Validation soll mindestens einmal wöchentlich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort durchgeführt werden. Sie dauert ca. zwanzig bis sechzig Minuten. Voraussetzung sind eine Atmosphäre der Geborgenheit und ein Ort mit Privatsphäre, d.h. ein psychologisch sicherer Ort, an dem Menschen einander nicht verletzen können.
Ziel der Gruppenvalidation ist die Aktivierung von Fähigkeiten, die die Kommunikation und die soziale Integration verbessern. Die Betroffenen teilen in der Gruppe gleiche Probleme und können sich eventuell gegenseitig bei Konfliktlösungen unterstützen, sie validieren sich sozusagen gegenseitig.
Die Einrichtung einer Validationsgruppe umfasst sieben Schritte (vgl. S. 85-98):
1) Kennen lernen
Hier werden Informationen über die desorientierten Personen gesammelt (wie bei Individueller Validation).
2) Auswahl der Mitglieder
Eine Gruppe hat fünf bis zehn Mitglieder, von denen höchstens zwei im Stadium "Sich-wiederholende-Bewegungen" sind. Idealerweise sollten unterschiedliche soziale Rollen vertreten sein.
3) Wahl der sozialen Rolle
Jedem Gruppenmitglied wird eine soziale Rolle zugeteilt, die der Persönlichkeit der Person entgegenkommt. Dies gibt dem Treffen Struktur und bewirkt, dass alle Teilnehmer mit einbezogen werden. Dabei werden alte Verhaltensmuster stimuliert und das Selbstwertgefühl gesteigert. Mögliche Rollen sind beispielsweise der Vorsänger, der Gastgeber oder der Vorleser.
4) Einbeziehung des gesamten Personals
Während individuelle Validation von Einzelpersonen durchgeführt werden kann, wird bei der Gruppenvalidation die Unterstützung der Verwaltung und der Kollegen gebraucht (fester Raum, ungestörte Zeit, Informationen vom Personal über Einzelpersonen und aktuelle Ereignisse, z.B. Streit).
5) Angebote
Der Ablauf eines Gruppentreffens ist jedes Mal gleich strukturiert. Der ritualisierte Ablauf vermittelt das Gefühl der Geborgenheit. Hauptkomponenten des Angebots sind:
Musik: Das Gruppentreffen sollte mit einem Lied eröffnet und geschlossen werden (stimuliert Interaktion, Wohlbehagen).
Gespräch: Bei jedem Treffen wird ein bestimmtes Diskussionsthema gewählt. Bevorzugt werden Themen, die sich auf Gefühle beziehen wie z.B. Liebe, Ärger oder "auf den Kampf um die eigene Meinung und um die eigene Identität." (S. 91)
Bewegung: Hier kommt beispielsweise tanzen oder Gymnastik in Frage. Gefördert werden das Gemeinschaftsgefühl, Energie und Spaß. Möglich ist aber auch "Arbeiten mit den Händen" (Gefühle ausdrücken, z.B. Teig kneten).
Essen: Steht für Fürsorge und soll soziales und selbständiges Verhalten auslösen.
6) Vorbereitung des Treffens
Vor dem Treffen sollte der Leiter des Treffens die Inhalte und die Struktur wie Sitzordnung oder Ablauf festlegen. Zusätzlich gehört dazu das "Zentrieren", also das innere Sammeln und fokussieren des VA auf seine Aufgabe.
7) Das Treffen
Ein Treffen soll sich immer aus einer Eröffnung (Einstimmung der Teilnehmer), einem Hauptteil (Gespräch), dem Ende (Wir-Gefühl herstellen, positiver Ausklang) und der Vorbereitung auf das nächste Treffen (z.B. durch Dokumentation von Entwicklungen und Fortschritten der Teilnehmer) zusammensetzen.

5.4 Integrative Validation
Nicole Richard (Diplom-Pädagogin, Diplom-Psychogerontologin) aus Kassel propagiert seit 1994 in Deutschland eine Abwandlung der Validationsmethode nach Feil. Die von ihr als "Integrative Validation" (IVA) benannte Methode verfolgt einen sogenannten "ressourcenorientierten Ansatz". Die Validation konzentriert sich hierbei vor allem auf verbliebene Fähigkeiten und Kompetenzen des Demenzerkrankten. Diese "Ressourcen" sollen aktiviert und in die Pflege und Betreuung von dementen Menschen integriert werden. "Ressourcen sind Bodenschätze, Goldadern, nach denen man suchen muß." (Richard, 2001a, S. 57). Richard stellt dabei die zwei zentralen Ressourcen "Antrieb" und "Gefühle" heraus.
"Antrieb" bezeichnet früherlernte Normgefühle einer Generation, die eine lebensgeschichtliche Herleitung beinhalten. Sie sind Motiv und Triebfeder des Handelns und erfahren eine persönliche Ausprägung und Gestaltung, z.B. Ordnungssinn oder Fürsorglichkeit (vgl. Richard, 2001a, S. 57).
"Gefühle" sind Ausdruck der momentanen Befindlichkeit und beinhalten eine Reaktion auf die Umwelt. Sie stehen oft in Verknüpfung mit der inneren Erlebenswelt und werden von Demenzerkrankten direkt zum Ausdruck gebracht, wie z. B. Angst oder Ärger (vgl. Richard, 2001a, S. 57).
Richard kritisiert an anderen Betreuungskonzepten, wie z.B. dem ROT, dass sie sich auf den Versuch konzentrieren, nicht mehr vorhandene oder stark eingeschränkte Fähigkeiten von dementen Menschen zu fördern. Diese von ihr als "defizitärer Ansatz" bezeichnete Konzeption führt ihrer Meinung nach zu Ohnmachtsgefühlen und Hilflosigkeit der betreuenden Personen und stellt ein "hoffnungs-, sinn- und würdeloses Unterfangen" dar (Richard, o.J., S. 3f.). Primär sollte ihrer Ansicht nach das Sicherheitsbedürfnis des dementen Menschen in den Mittelpunkt aller Bemühungen gestellt werden. Dies erfolgt über die Aktivierung von vorhandenen Ressourcen, wodurch das Wohlbefinden des dementen Menschen und die Motivation der Betreuungsperson gefördert werden.
Um diese Ressourcen aufzudecken, ist es nötig, sich in die "Zeit- und Erlebnisebene" des Dementen einzufühlen und seine "innere Realität", "seine persönliche Lichtung im Nebel" anzuerkennen (Richard, 1996, S. 219). Antriebe und Gefühle können so wahrgenommen und wertschätzend wiedergegeben werden. "Wir sind das Echo, wir können oftmals isolierten Äußerungsformen Demenzerkrankter eine Sprache geben." (Richard, 2001a, S. 58). Auf diese Weise können negative Gefühle aufgelöst und positive lebendiger erlebt werden. Der Betreute wird emotional aufgefangen und fühlt sich verstanden, da die von ihm geäußerten Gefühle in einer Atmosphäre des Vertrauens ernstgenommen und wertgeschätzt werden. Um Gefühlsmomente, die hinter Äußerungen oder Verhaltensweisen einer dementen Person stehen, richtig einordnen zu können, sind Biographiewissen und Kenntnisse von Symbolen entscheidend und die Voraussetzung für eine dementengerechte Kommunikationsweise (vgl. Richard, 2001a, S. 57f.).
Die Kommunikation erfolgt grundsätzlich auf drei Ebenen: Verbal (Sprache), nonverbal (Körpersprache) und paraverbal (Betonung). Richard bemerkt, dass die Kommunikation keine Diskrepanz zwischen diesen drei Ebenen aufweisen darf, da dies zur Verwirrung des dementen Menschen führen kann. Der Schwerpunkt der IVA liegt primär auf der sprachlichen Ebene und ist deshalb vorrangig für Demenzerkrankte im Anfangsstadium sinnvoll. Die Sprache sollte aus kurzen, eindeutig formulierten Sätzen bestehen. Wichtig ist außerdem die Verwendung von Zeitgeistwörtern, d.h. die Wortwahl soll an das Alter der dementen Person angepasst sein. Es sollen Wörter verwendet werden, die der demente Mensch in Kindheit, Jugend und jüngeren Erwachsenenjahren gebraucht hat (z.B. Kummer, Kavalier, versprochen-sein). Günstig ist auch die Verwendung von Metaphern (z.B. mir fällt ein Stein vom Herzen, um den Finger wickeln) oder von Sprichwörtern. Ebenfalls hilfreich ist der Einsatz von Ritualen. Dabei können sowohl alte Rituale erkannt und gepflegt als auch neue geschaffen werden (z.B. Gespräch immer mit den gleichen Startsätzen beginnen). Biographieabhängige Themen und Beschäftigungen erleichtern ebenfalls den Zugang zur "inneren Realität" des dementen Menschen und verbessern so die Kommunikation (vgl. Richard, 2001a, S. 58; Richard, o.J.).
Wichtige Effekte, die aus der IVA für die dementen Menschen entstehen, sind Gefühle der Sicherheit und der Zugehörigkeit, ein gesteigertes Selbstwertgefühl und die Verminderung von Angst und Stress. Dies geht mit einer Reduktion von unkontrollierten Gefühlsausbrüchen einher und fördert so die soziale Kontaktaufnahme (vgl. Richard, 2001a, S. 59).
Für die Betreuungskräfte ermöglicht der Einsatz der IVA ein strukturierteres Handeln, insbesondere in Bezug auf die Teamarbeit. Eine leichtere Einschätzung von dementen Menschen macht den Umgang miteinander einfacher, da weniger Berührungsängste existieren. Das sehr personenbezogene Arbeiten führt zu einer hohen Zufriedenheit mit der eigenen Arbeitsleistung und dem Gefühl, eine sinnvolle Arbeit zu leisten (vgl. Richard, 1996, S. 222).

5.5 Biographiearbeit
Das Biographiewissen ist ein essentieller Bestandteil in allen vorgestellten Betreuungskonzepten für demente Menschen. Biographiewissen wird durch Biographiearbeit (synonym: Erinnerungsarbeit, Erinnerungspflege, Reminiszieren) erarbeitet bzw. erhalten und kann in die Pflege und Betreuung dementer Menschen integriert werden. Sowohl die Betreuten als auch die Betreuer können vom Einsatz der Biographiearbeit profitieren.
Für demente Menschen stellt die Erinnerung an ihre Vergangenheit eine wichtige Ressource dar, weil das Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt ist, das Langzeitgedächtnis, in dem sehr gut memorierte und meist lange zurück liegende Informationen gespeichert sind, jedoch häufig noch lange während des Krankheitsfortschritts relativ intakt bleibt (vgl. Kitwood, 2000, S. 88). Typisch für die Demenzerkrankung ist zudem eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit und das Leben "in einer traumähnlichen Welt der Erinnerungen" (Wojnar, 2001a, S. 40). Dies bedingt, dass demente Menschen mit Hilfe von Erlebnissen der Vergangenheit in der Jetztzeit kommunizieren. "Es scheint, als böten Erinnerungen den Menschen oft metaphorische Ressourcen, über ihre aktuelle Lage in einer für sie handhabbaren Weise zu sprechen." (Kitwood, 2000, S. 88). Verfügen Betreuungspersonen über kein Biographiewissen, können sie Verhaltensweisen und Äußerungen, die mit der Lebensgeschichte einer dementen Person in Zusammenhang stehen, nicht richtig deuten, und die Kommunikationsversuche des Demenzerkrankten werden fehlinterpretiert. Die Folge davon ist, dass der Betreute sich unverstanden fühlt und seine Bedürfnisse oft unbefriedigt bleiben. Er stellt seine Kommunikationsversuche schließlich ein, und die Erinnerung an sein vergangenes Leben, aus der er sein Selbstwissen und seine Identität bezieht, verblasst zunehmend (vgl. Trilling, 2001, S. 40). Biographiearbeit zielt darauf ab, das Identitätsgefühl des dementen Menschen zu erhalten. Durch geteilte Erinnerungen kann ein Gemeinschaftsgefühl und eine Atmosphäre des Vertrauens entstehen. Außerdem werden die Kommunikation und die soziale Kontaktaufnahme gefördert und die Rückbesinnung auf Erfolge und Leistungen im vergangenen Leben kann die Selbstachtung stärken (vgl. Trilling, 2001, S. 42f.).
In der stationären Betreuung spielt die Biographiearbeit eine besonders wichtige Rolle, da durch den Einzug in eine Institution die Zahl wichtiger Repräsentanzen des vergangenen Lebens, die zum Erhalt der Identität beitragen, stark reduziert wird. Es besteht die Gefahr, dass der demente Heimbewohner mit seinen Erinnerungen alleine bleibt und sein Identitätsgefühl abnimmt (vgl. Blimlinger, 1996, S. 3).
Biographiearbeit hat zudem eine positive Auswirkung auf die Betreuungspersonen. Mit Hilfe von Biographiewissen finden betreuende Personen leichter Zugang zu einer dementen Person, deren verbales Ausdrucksvermögen eingeschränkt ist. Da auf diese Weise ein Kennen- und Schätzenlernen erleichtert wird, kann sich schneller eine persönliche Beziehung zwischen Betreuer und Betreuten entwickeln. Auch die Kommunikation mit dementen Menschen, die im Pflegealltag oft nur aus Standardfragen und Standardantworten besteht, profitiert von der Biographiearbeit. Gesprächsthemen können sich auf die individuelle Vergangenheit einer Person beziehen und den betreuenden Personen fällt es leichter, Verhaltensweisen und Äußerungen dieser Person zu interpretieren, auf Bedürfnisse einzugehen und Beschäftigungsangebote zu machen, die den Interessen des Demenzerkrankten entsprechen. Insgesamt betrachtet, reduziert Biographiewissen in der Betreuung dementer Menschen die Frustration der Betreuungspersonen und steigert ihre Arbeitszufriedenheit (vgl. Trilling, 2001, S. 40-42; Gereben, 1998, S. 17-26).

Formen der Biographiearbeit
Gereben unterscheidet zwei Formen der Biographiearbeit: die gesprächsorientierte Biographiearbeit und die aktivitätsorientierte Biographiearbeit (vgl. Gereben, 1998, Kap. 4).
Zur gesprächsorientierten Biographiearbeit zählen Einzel- und Gruppengespräche, die zu vorgegebenen Themen angeboten werden. Solche Themen sind z.B.: Familienleben, Schulzeit, Kinderspiele, Feste und Feiertage.
Die aktivitätsorientierte Biographiearbeit zeichnet sich durch die Integration der Biographiearbeit in eine Tätigkeit aus. Dies kann beispielsweise ein Museumsbesuch, aber auch das Anfertigen einer Collage, das Singen von Liedern oder das Ausführen von Alltagshandlungen (z.B. Tisch decken) sein.
Bei beiden Formen gilt, dass sich das Miteinbeziehen von Angehörigen und eine dementengerechte Kommunikation sehr positiv auf die Erfolgsmöglichkeiten der Biographiearbeit auswirken. Trilling schlägt für die dementengerechte Kommunikation vor, nur einen Sachverhalt im Gespräch gleichzeitig anzusprechen, eine einfache Sprache zu verwenden und vertraute Redewendungen oder Sprichwörter zu benutzen. Weiterhin gehört das aktive Zuhören dazu, bei dem Aufmerksamkeit auch durch nonverbale Mittel ausgedrückt wird, im verbalen Bereich Paraphrasen verwendet und Gesprächspausen zugelassen werden. Beachtet werden muss auch, dass insbesondere Fragen an demente Menschen nicht auf eine absolute Antwort abzielen sollten (z.B. Fragen, die mit "wann", "wer", "wo" beginnen), da die Unmöglichkeit, sie zu beantworten, für demente Menschen sehr belastend sein kann. Eine Frage sollte immer auch den Ausweg einer nicht allzu konkreten Antwort anbieten. In der Biographiearbeit mit dementen Menschen ist es außerdem hilfreich, die Sinne (z.B. Geruchs-, Geschmacks-, Tastsinn) durch Trigger (Erinnerungsschlüssel) anzusprechen. Als Trigger können beispielsweise Gegenstände, Photos, Speisen und Getränke oder Musik eingesetzt werden (vgl. Trilling, 2001, S. 50-61).
In Bezug auf die stationäre Biographiearbeit gibt es einige zusätzliche Komponenten, die berücksichtigt werden sollten. Bei der stationären Aufnahme sollte ein "Biographiebogen" erstellt werden, der zentrale persönliche Daten und wichtige Informationen aus dem Leben des dementen Menschen enthält. Dazu wird möglichst auf die Hilfe der Angehörigen zurückgegriffen. Trilling empfiehlt, Lebenserinnerungen in Form eines Lebensbildes, Lebensbuches oder einer Lebenskiste, also plastisch bzw. mit Hilfe von "Reliquien", die sie als "Erinnerungsobjekte" bezeichnet, darzustellen. Diese sollen sich nach Möglichkeit gut sichtbar im Zimmer des Heimbewohners befinden, so dass in der Alltagskommunikation darauf Bezug genommen werden kann und so die Verständigung erleichtert wird. Zusätzlich soll die Einrichtung der Zimmer möglichst aus vertrautem Mobiliar bestehen, und es sollen besondere "Erinnerungsecken" o.ä. eingerichtet werden (vgl. Trilling, 2001, S. 118-121).

Ein Betreuungskonzept, welches sich sehr stark auf Biographiewissen stützt, ist die Selbst-Erhaltungs-Therapie, die vor allem die Ziele der Biographiearbeit weiter ausformuliert (vgl. Kap. 5.6).

5.6 Selbst-Erhaltungs-Therapie
Die Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET) wurde Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts insbesondere von Barbara Romero, entwickelt. Das übergeordnete Ziel dieses Betreuungskonzepts ist die Erhaltung des personalen Selbst. Das "Selbst" ist in diesem Zusammenhang als zentrales kognitives Schema zu sehen, welches Informationen über die eigene Person und die Umgebung aufnimmt, verarbeitet und aufrechterhält. Es schafft die Voraussetzungen, um "Entwicklungen von Situationen vorauszusagen, Entscheidungen zu fällen, Einstellungen und Haltungen einzunehmen und sich zu orientieren" (Romero, 1997, Kap. 1). Es ist abhängig von Selbstwert, Selbstsicherheit und Selbständigkeit der eigenen Person. Ein stabiles "Selbst" hat positiven Einfluss auf das Selbstwertgefühl und die Identität und bedingt so auch die Stimmung und die Effizienz des Verhaltens von Menschen. Erfahrungen, die das "Selbst" verletzen (z.B. Konflikte, Misserfolge, Erlebnisarmut), lösen somit negative Gefühle (Angst, Scham, Aggression, Depression) aus, welche in störenden Verhaltensweisen (z.B. Aggressionsausbrüche, starke Unruhe, Tendenz zum Weglaufen) ihren Ausdruck finden können (vgl. Romero, 1997, Kap. 1).
Ziel der SET ist der Erhalt dieses personalen "Selbst", damit in der Folge die Effizienz des Verhaltens gefördert und psychischem Leiden entgegengewirkt werden kann. Als Resultat kommt es dann zu einer Reduktion von störendem Verhalten (vgl. Romero, 1997, Kap. 1).
Im Verlauf einer Demenzerkrankung ist der Erhalt des stabilen "Selbst" stark bedroht: Veränderte Lebensumstände führen zu Gefühlen des Kontinuitätsverlusts, und erlebnisarme Lebensbedingungen, Verlust von Welt- und Selbstwissen, ein beeinträchtigter Kohärenzsinn und Persönlichkeitsveränderungen bedrohen zudem das Identitätsgefühl.
Gelingt es, diesen negativen Einflüssen auf das "Selbst" entgegenzuwirken, so lassen sich auch das Ausmaß psychischer Leiden und die Ausprägung des störenden Verhaltens verändern. Eine adäquate Unterstützung des "Selbst" fördert so die Effektivität des alltäglichen Verhaltens, hat einen günstigen Effekt auf den Verlauf der Krankheit und reduziert auch das Leid der Angehörigen (vgl. Romero, 1997, Kap. 2).
Mittel zur verlängerten Erhaltung des Selbst sind die Betreuungsform, psychotherapeutische Interventionen und kognitive Übungsprogramme. Zusätzlich sollten psychotische Symptome medikamentös behandelt werden. Im Folgenden werden Inhalte und Ziele der Maßnahmen zur Selbsterhaltung erläutert.

1. Bewahren der Kontinuität
Einfach zusammengefasst, bedeutet dies, "vermeidbare Veränderungen zu vermeiden" (Romero, 1998). Auf das Umfeld bezogen, bedeutet Kontinuität, dass sowohl die räumliche Umgebung und die "Dingwelt" (z.B. Möbel) als auch die personelle Umgebung (Bezugspersonen) möglichst konstant sein sollen.
Im sozialen und kulturellen Leben sollen angemessene soziale Umgangsformen herrschen, wobei "es sich oft nur um eine gute, unterstützende, nicht verletzende Ausdrucksweise" (Romero, 1997) und den früheren Interessen des Einzelnen entsprechende Beschäftigungsangebote handelt (vgl. Romero, 1997, Kap. 3.1).

2. Bewahren des Identitätsgefühls
Besondere Erlebnisse, wie z.B. die körperliche Erschöpfung nach einer Wanderung, der Besuch beim Friseur oder ein Geschenk fördern das Identitätsgefühl. Insgesamt betrachtet, sind identitätsfördernde Erlebnisse solche, "die mit dem Gefühl, 'sich ganz nahe zu sein' verbunden" sind und die der Erlebnisarmut entgegenwirken (Romero, 1997, Kap. 3.2).

3. Bewahren des Kohärenzsinnes
"Kohärenzsinn" ist ein von A. Antonovsky eingeführter Begriff und beschreibt Eigenschaften, die einen Menschen befähigen, trotz großer Belastungen psychisch gesund zu bleiben. Er ist bei Demenzerkrankten durch "kognitive, emotionale und motivationelle Veränderungen primärer und sekundärer Art sowohl beeinträchtigt, als auch besonders gefordert." (Romero, 1997, Kap. 2.2). Der Kohärenzsinn besteht aus drei Komponenten: Verstehen, Zuversicht und Sinn.
Das Verstehen
Das Verstehen bezieht sich auf Maßnahmen, die es dem dementen Menschen erleichtern, Alltagsabläufe zu verstehen, sie vorauszusagen und nachzuvollziehen. Dazu gehört z.B. die Strukturierung der Umwelt und des Tagesablaufes. Dies ist besonders bei beginnender Demenz sehr wichtig, da hier Beeinträchtigungen bewusst erlebt werden und beunruhigend wirken. Zum Verstehen gehört auch die Aufklärung des dementen Menschen über die Diagnose "Demenz", damit die Veränderungen, die ihm widerfahren, als Krankheit und nicht als persönliches Versagen eingeordnet werden können. Dies schützt die Betroffenen vor Schuldgefühlen und Überforderung. Kommunikationstechniken bilden einen weiteren Teil des Verstehens. Diese sind an die Validationsmethode nach Feil angelehnt, verzichten aber auf die zur Validation gehörende Bewertung. "Psychodynamische Interpretationen der Konflikte und die so begründeten Interventionen, die das Validationskonzept miteinschließt, halten wir allerdings für Alzheimer-Kranke für ungeeignet." (Romero, 1997, Kap. 3.3.1).
Die Zuversicht
Ziel ist es hier, dem Erkrankten zu vermitteln, dass er trotz Demenz mit den Lebensanforderungen zurechtkommen kann. Dies hängt zu einem großen Teil von der psychosozialen Unterstützung der Betreuungspersonen ab. Die Betreuenden sollen aus diesem Grund auf dementengerechte Umgangsformen vorbereitet werden, damit in der Betreuung des dementen Menschen Überforderungs- und Unterforderungssituationen vermieden werden können und der Betroffene ein Gefühl der Zuversicht und der Sicherheit erfahren kann (vgl. Romero, 1997, Kap. 3.3.2).
Der Sinn
Ein weiteres Grundelement des Kohärenzsinns ist der Erhalt des Sinngefühls, in Bezug auf das Leben mit einer Demenzerkrankung. In der SET wird deshalb betont, dass der "weise Umgang" mit der Krankheit, die Weiterführung eines "normalen Lebens" und die Hervorhebung von Lebenszielen, die trotz Krankheit unverändert bleiben (z.B. das Familienleben), entscheidend sind (vgl. Romero, 1997, Kap. 3.3.3).

4. Bewahren des Selbst-nahen Wissens
Der SET liegt die Annahme zugrunde, dass das Üben von biographischem, selbstbezogenem Wissen zum Erhalt und zur Reaktivierung dieses Wissens beiträgt. Die erste Phase in der praktischen Umsetzung bildet die "Selbstdiagnose". In Form von regelmäßig stattfindenden Therapiesitzungen wird der Demenzerkrankte zum freien Erzählen motiviert. Geschichten und Themen, die über einen längeren Zeitraum wiederholt erzählt werden, bezeichnet Romero als "Erinnerungsfiguren". Sie werden mit Hilfe von Videoaufzeichnungen festgehalten. In der zweiten Phase, dem "Aufbau eines externen Gedächtnisses", werden die Videoaufzeichnungen durch halbstrukturierte Erzählungen zu ausgewählten Themen (z.B. "Elternhaus", "Beruf") erweitert. Neben den Videoaufzeichnungen kann das "externe Gedächtnis" durch andere Dinge, wie alte Photos, Lieder oder Gedichte ergänzt werden. In den Therapiesitzungen der Folgezeit (Phase "Erhalten des Selbst-nahen Wissens") wird die demente Person erneut zum "freien Erzählen" angeregt. Das "externe Gedächtnis" kann in dieser letzten Phase zur Stimulation oder als Gedächtnisstütze eingesetzt werden. Neben dem Erhalt des Selbst-nahen Wissens hat das Erinnern noch weitere positive Auswirkungen auf den Demenzerkrankten. Es kann z.B. ein gesteigertes Wohlbefinden und Selbstwertgefühl erreicht werden (vgl. Romero, 1997, Kap. 3.4).

Durchgeführt wurde die SET bisher in der ambulanten, teilstationären und stationären Betreuung von dementen Menschen.
Der ambulante Einsatz der SET wurde bislang primär in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in München erprobt. Die regelmäßig stattfindenden Therapiesitzungen (einmal wöchentlich) sollten dabei die Dauer von jeweils 1,5 Stunden nicht überschreiten, sich insgesamt jedoch über einen sehr langen Zeitraum erstrecken (mehrere Jahre). Die Vorgehensweise der ambulanten psychologischen Behandlung nach dem Konzept der SET kann verschiedene Komponenten beinhalten, wie z.B. den Durchlauf der Therapiephasen "Selbst-Diagnose", "Aufbau eines externen Gedächtnisses" und "Erhalten des Selbst-nahen Wissens", das Herausfinden von individuell geeigneten Beschäftigungsaufgaben im Alltag und in der Freizeit oder die Förderung des Krankheitsverständnisses. Der Erfolg der ambulanten Therapie ist besonders von der Unterstützung durch Familienangehörige und Betreuungspersonen abhängig. Aus diesem Grund sind Beratungsgespräche mit dieser Personengruppe unerlässlich (vgl. Romero, 1997, Kap. 4.2).
In der teilstationären Betreuung dementer Menschen, wurde das Konzept der SET z.B. in der Tagesstätte "Münchner Altenwohnstift e.V." eingeführt. Romero betont, dass die Einführung der SET unter psychologischer Supervision der Mitarbeiter stattfinden soll. Im teilstationären Bereich kommen verschiedene Selbst-erhaltende Maßnahmen zum Einsatz. Dies sind z.B. biographieorientierte Gespräche mit den dementen Menschen und ihren Angehörigen, Raumgestaltung (z.B. Photo-Ecke, vertraute Gegenstände von zu Hause) oder Beschäftigungsangebote, die den individuellen Interessen des Einzelnen entsprechen und nicht so wirken, als wären sie "Programmen für Kinder- bzw. Jugendgruppen entnommen" (Romero, 1997, Kap. 4.1).
Stationär wird die SET in dem 1999 gegründeten Alzheimer Therapiezentrum der Neurologischen Klinik Bad Aibling unter der Leitung von B. Romero praktiziert. Das stationäre Behandlungsprogramm erstreckt sich über vier Wochen und sieht die Aufnahme des Demenzerkrankten und der ihn betreuenden Person vor. Im Mittelpunkt der Behandlung stehen die Diagnoseüberprüfung, die medikamentöse Therapie und die SET. Hier werden täglich, innerhalb eines Zeitrahmens von fünf Stunden, Einzel- und Gruppentherapien angeboten (u.a. Therapie zur Erhaltung von biographischem Wissen, Kunsttherapie, Sport, Alltags- und Freizeitaktivitäten). Ergänzt werden diese Angebote durch Beratungsgespräche, die z.B. Themen wie die individuelle Planung der Alltagsbeschäftigungen und der Lebensgestaltung zu Hause oder die Möglichkeiten von externen Hilfen (z.B. ambulante Pflege, Tagespflegeeinrichtungen, Selbsthilfegruppen) aufgreifen (vgl. Jahresbericht 1999).
Die praktische Umsetzung der SET befindet sich noch in der Probephase, die Weiterentwicklung des Konzepts wird jedoch angestrebt. Um die Anwendung in Institutionen (stationäre und teilstationäre) und in der familiären Betreuung auszudehnen, sollen zukünftig die Schulungs- und Beratungsangebote für die Vermittlung der Betreuungsprinzipien der SET verbessert werden.
Außerdem ist der Einsatz von Multimedia-PCs als Träger des "externen Gedächtnisses" geplant, um den Zeitaufwand der Erstellung zu reduzieren. Gleichzeitig soll die Bedienung des Computerprogramms so unkompliziert sein, dass die regelmäßige Anwendung des SET-Programms für den dementen Menschen auch zu Hause möglich wird (vgl. Romero, 1997, Kap. 5).

5.7 Personenzentrierter Ansatz

5.7.1 Theoretischer Hintergrund
Der personenzentrierte Ansatz wurde von Tom Kitwood, einem englischen Sozialpsychologen, in den Jahren 1987 bis 1995 entwickelt. Da sich dieses Konzept auf ein etwas anderes theoretisches Modell stützt als die vorgenanntenKonzepte, sollen zuerst die zentralen Aussagen Kitwoods vorgestellt werden. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht ganz eindeutig der demente Mensch als Person. Im Gegensatz zu vielen anderenKonzepten ist Kitwoods Auffassung einer optimalen Betreuung weniger vom Versuch beherrscht, in irgendeiner Weise auf den Betreuten einzuwirken. Optimale Betreuung in seinem Sinne zeigt eher die Tendenz, das komplette "Rundherum", insbesondere die Pflegebeziehung, so auf den Betreuten auszurichten, dass dieser möglichst wenig durch sein "Betreutwerden" beeinträchtigt und das Wohlbefinden der Betreuten und der Betreuenden gesteigert wird.
Das Konzept baut auf drei Hauptaussagen auf, die im Folgenden erläutert werden.

1) Depersonalisierung als Abwehrmechanismus
Hauptthema im personenzentrierten Ansatz Kitwoods ist das "Personsein": "Es ist ein Stand oder Status, der dem einzelnen Menschen im Kontext von Beziehung und sozialem Sein von anderen verliehen wird. Er impliziert Anerkennung, Respekt und Vertrauen." (Kitwood, 2000, S. 27). Nach Kitwood hat sich heute infolge des Einflusses der Individualisierung das Personsein auf zwei Kriterien reduziert: Autonomie und Rationalität. Menschen, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden aus dem Kreis der "Personen" ausgeschlossen. Das betrifft insbesondere Menschen mit seelischen oder schweren körperlichen Behinderungen, zu denen in besonderem Maße gerade Demenzerkrankte gehören. Noch dazu sind demente Menschen alte Menschen, die von vornherein als gesellschaftliche Last gelten, abgewertet werden und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Dies führt dazu, dass sie sehr rigoros aus dem Kreis der "Personen" ausgeschlossen werden, ein Vorgang, den Kitwood als Depersonalisierung bezeichnet (vgl. Kitwood, 2000, S. 25-34).
In diesem Zusammenhang spielt die Tatsache, dass "Demenz" ein Angstthema ist, welches unzureichend geschulte Betreuer zu inadäquaten Verhaltensweisen veranlassen kann, eine große Rolle. Zweierlei Ängste können vom Thema Demenz ausgelöst werden:
Erstens die Angst vor Gebrechlichkeit und damit verbundener Abhängigkeit, vor einem langen Sterbeprozess und allgemein vor dem Tod.
Zweitens die Angst vor geistiger Instabilität, vor dem Wahnsinnigwerden (vgl. Kitwood, 2000, S. 34).
Diese Ängste fördern in Verbindung mit dem Wissen, dass jeder an Demenz erkranken kann und dass die Zahl der Neuerkrankungen zunimmt, spezifische Abwehrreaktionen, die einer dementengerechten Betreuung abträglich sind. Diese Abwehrreaktion (Depersonalisierung) bedeutet, dass die Betroffenen nicht mehr als "Personen" gesehen und damit aus der Wahrnehmung ausgeblendet werden. Sie erscheinen dann nicht mehr als dem eigenen Personenkreis zugehörig, was die Bedrohung durch die Krankheit Demenz subjektiv reduziert.
Kitwood nennt solche entpersonalisierenden Tendenzen im Pflegealltag "maligne, bösartige Sozialpsychologie". Aufgrund von dokumentierten Vorkommnissen im Pflegealltag ordnet er solche Verhaltensweisen in 17 verschiedene Kategorien ein, zu denen beispielsweise zählt:
· das Einschüchtern: "durch Drohungen oder körperliche Gewalt bei jemanden Furcht hervorrufen." (Kitwood, 2000, S. 75).
· das Entwerten: "die subjektive Realität des Erlebens und vor allem die Gefühle einer Person nicht anerkennen." (Kitwood, 2000, S. 76).
· das Ignorieren: "in jemandes Anwesenheit einfach in einer Unterhaltung oder Handlung fortfahren, als sei der bzw. die Betreffende nicht vorhanden." (Kitwood, 2000, S. 76).

Mit der Depersonalisierung geht meistens eine Vernachlässigung einher: "Belege aus vielen Studien zeigen, dass Menschen mit Demenz in Heimpflege typischerweise sehr lange Zeiten ohne menschlichen Kontakt zubringen." (Kitwood, 2000, S.79). Eine Studie von Tessa Perrin (1997) belegt beispielsweise, dass demente Menschen in stationären Einrichtungen etwa 50% des Tages ohne direkten menschlichen Kontakt zubringen und Interaktionen überwiegend sehr kurz und oberflächlich sind (vgl. Perrin, 1997, S. 937f.).

2) Standardparadigma
Unter Standardparadigma versteht Kitwood "das gesamte Rahmenwerk, in das Forschungsergebnisse gewöhnlich eingeordnet werden" (Kitwood, 2000, S. 63) und das von der Psychiatrie und anderen wissenschaftlichen Disziplinen in Bezug auf Neuropathologie, Biochemie und Genetik der Demenz geschaffen wurde.
Kitwood kritisiert vor allem, dass im allgemeinen nur neurologische, nicht aber auch sozialpsychologische Veränderungen beleuchtet werden. So beinhaltet die Stadieneinteilung für den Schweregrad von Demenz zwangsläufig eine Verschlechterung aufgrund neuropathologischer Befunde, obwohl nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen Symptomen einer Demenz und neuropathologischen Veränderungen bestehen muss. "Es können beträchtliche neuropathologische Zustände ohne Demenz vorliegen, und es kann eine Demenz ohne signifikante Neuropathologie bestehen." (Kitwood, 2000, S.61). Vor allem beanstandet Kitwood, dass dabei die Einzigartigkeit der Person, nämlich wie sich Demenz individuell äußert, verschleiert wird. Er geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er die Möglichkeiten, Demenz zu diagnostizieren, prinzipiell in Frage stellt. Seiner Ansicht nach kann mit den bestehenden Diagnosemethoden gar keine klare Diagnose gestellt werden. Zur Diagnostik eingesetzte Tests, wie z.B. der MMSE, geben lediglich Auskunft über die kognitive Leistungsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt (vgl. Kitwood, 2000, S. 42-52).
Problematische Merkmale des Standardparadigmas entstehen aus der technischen Herangehensweise, bei der nicht die Person mit Demenz im Mittelpunkt steht, sondern das Krankheitsbild. Gefördert wird hierdurch eine negative, deterministische Sichtweise, nach der eine Verbesserung nur durch einen medizinischen Durchbruch erzielt werden kann und der Beitrag des Pflegeprozesses und die Qualität der Betreuung zweitrangig wird. Eine ähnliche Problematik erwächst nach Kitwood aus den geltenden Vorstellungen über die organische Grundlage von Demenz. Die Theorie der Verursachung (genetische Grundursache) ist seiner Meinung nach unsolide: "In gewissem Sinne ‚verursachen' Gene nichts; sie sind einfach nur ein Hintergrund, vor dem andere Ursachen operieren." (Kitwood, 2000, S. 62).
Kitwood geht davon aus, dass alle Ereignisse im Erleben einer Person ihr Gegenstück in der Hirnaktivität haben und dass der Prozess der Demenz daher ein dialektisches Wechselspiel zwischen Faktoren der Neuropathologie und solchen der Sozialpsychologie ist. Während die neurologische Beeinträchtigung und die "maligne, bösartige Sozialpsychologie" das Personsein untergraben, kann seiner Meinung nach gute Pflege eine bessere Nervenfunktion fördern und eventuell sogar eine Nervenregeneration ermöglichen (vgl. Kitwood, 2000, S. 79-84). Medizinische Forschungsergebnisse belegen Kitwoods These, dass die Pflegepraxis, beziehungsweise das psychosoziale Umfeld, das neuronale Wachstum beeinflussen kann. Zu diesen Ergebnissen kommen u.a. Forschungsgruppen aus Schweden, wie Karlsson et al. (1988) oder Brane et al. (1989) (vgl. Kitwood, 2000, S. 96).

3) Organisationsstil
Neben dem "Standardparadigma" trägt auch die Struktur der "für- und versorgenden Organisationen" dazu bei, die depersonalisierenden Tendenzen in der Demenzpflege zu untermauern. Kitwood geht davon aus, dass die Situation der Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung einen großen Einfluss auf die Situation der Betreuten hat. "Werden Angestellte alleingelassen und mißbraucht, so werden es die Klienten vielleicht auch." (Kitwood, 2000, S. 151).
Die Arbeitssituation wird stark von der Struktur und dem Stil der versorgenden Organisation geprägt. Weist die Organisation ein hohes Machtgefälle zwischen den unterschiedlichen Mitarbeitergruppen (Manager, leitende Pflegekräfte, Pflegepersonal) auf, so wirkt sich diese stark hierarchische Struktur auf die zu Betreuenden, die den niedrigsten Status innehaben, aus. "Diese Unterteilungen erzeugen eine Schranke zwischen dem Personal und den Klienten, welche leicht zu Fremden oder Unpersonen gemacht werden." (Kitwood, 2000, S. 153). Eine solche Organisationsstruktur behindert eine befriedigende Kommunikation sowohl unter den Mitarbeitern als auch zwischen dem Pflegepersonal und den dementen Personen. Die Kommunikation kann lediglich auf einem unpersönlichen, emotionslosen Weg ablaufen und demenztypisches Problemverhalten wird nicht als Kommunikationsversuch oder Ausdruck unbefriedigter Bedürfnisse gesehen, sondern rein technisch, in Form der medikamentösen Therapie, behandelt (vgl. Kitwood, 2000, S. 152-155).
Ein weiterer Faktor, der die Arbeitssituation von Betreuungspersonen in der Demenzpflege beeinflusst, bildet die Unterstützung der Mitarbeiter durch organisatorische Maßnahmen. Dazu gehören nach Kitwood u.a. eine angemessene Bezahlung, eine gute Einarbeitung, das Angebot von Supervision und Fortbildungen, die Förderung der Teamarbeit, die Möglichkeit der beruflichen Beförderung und eine effiziente Qualitätssicherung in der Pflegeplanung, d.h. Pflegekräfte sollen an der Pflegeplanung und -weiterentwicklung mitwirken (vgl. Kitwood, 2000, S. 159-163).
Das Fehlen von Unterstützungsmaßnahmen dieser Art hat negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden der betreuenden Personen. Die Arbeit wird als belastender wahrgenommen, und die Arbeitszufriedenheit ist insgesamt gering. In diesem Zusammenhang steigt die Gefahr des Burn-out. "In der Praxistradition, die wir geerbt haben, in der das Personal bei seiner Arbeit sehr wenig Unterstützung und Hilfe bekam, war die Mehrzahl derer, die dies überlebt haben, möglicherweise in einen chronischen Zustand des Burn-out auf niedrigem Level gelangt." (Kitwood, 2000, S. 158). Diese Problematik hat zur Folge, dass die unbefriedigende Situation der Mitarbeiter Auswirkungen auf das Wohlbefinden der dementen Personen hat. Aus Gründen des Selbstschutzes vor Arbeitsüberforderung wird die Betreuung Demenzerkrankter auf ein Minimum reduziert, d.h. die Versorgung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Körperpflege und die Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie z.B. Ernährung und Kleidung (vgl. Kitwood, 2000, S. 156-159). Vor diesem Hintergrund können leicht depersonalisierende Tendenzen in den Pflegealltag integriert und durch die "kollektive Anwendung" des Pflegepersonals besonders verfestigt werden.
Aus den genannten Aspekten resultiert eine Pflegepraxis, die Kitwood als "alte Pflegekultur", "eine Kultur des Sich-Abwendens und der Entfremdung" (Kitwood, 2000, S. 196) bezeichnet. Dieser Begriff steht für eine inadäquate Betreuung dementer Menschen, die das Personsein ignoriert und das Wohlbefinden sowohl der Betreuten als auch der Betreuenden negativ beeinflusst.

5.7.2 Personenzentrierte Pflege
Kitwood stellt die Hypothese auf, dass eine personenzentrierte Pflege den Prozess einer Demenzerkrankung positiv beeinflussen kann. "In einem optimalen Kontext von Pflege und Fürsorge wird jedes Fortschreiten der neurologischen Beeinträchtigung ... , das bei einer nichtunterstützenden Sozialpsychologie potentiell extrem schädigend sein kann, durch positive Arbeit an der Person ... kompensiert." (Kitwood, 2000, S. 103). Der Erhalt des Personseins stellt für ihn das oberste Ziel einer qualitativ hochwertigen Demenzpflege dar.
Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Befriedigung von Bedürfnissen dementer Menschen, da "ein Mensch ohne dessen Befriedigung nicht einmal minimal als Person funktionieren kann." (Kitwood, 2000, S. 121). Unter die demenzspezifischen Bedürfnisse fasst er eine Gruppe von Bedürfnissen, die sich nicht klar voneinander trennen lassen, sondern kooperativ funktionieren. Das Bedürfnis nach Liebe stellt dabei ein allumfassendes Bedürfnis dar, welches von dementen Menschen deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Demenzerkrankte zeigen "oft ein unverhülltes und beinahe kindliches Verlangen nach Liebe." (Kitwood, 2000, S. 121). Ein zweites Bedürfnis ist das Bedürfnis nach Trost, das infolge von starken Verlusten, z.B. der Verlust von Fähigkeiten oder des bisherigen Lebensstils, bei dementen Menschen besonders stark ausgeprägt ist. Die Demenzerkrankung löst außerdem Gefühle der Angst und der Unsicherheit bei der betroffenen Person aus. Um ein Sicherheitsgefühl zu erhalten, ist das Bedürfnis nach einer primären Bindung bedeutend. Als viertes Bedürfnis nennt Kitwood das Bedürfnis nach Einbeziehung. Darunter versteht er das Bestreben der dementen Person, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen, das sich z.B. in "aufmerksamkeitheischendem Verhalten", wie Unruhe oder Schreien, äußert. Ein weiteres Bedürfnis ist das nach Beschäftigung, d.h. danach, etwas Sinnvolles zu tun, "eine Art von Projekt zu haben." (Kitwood, 2000, S. 124). Ausdruck findet dieses Bedürfnis beispielsweise in Form von Hilfsbereitschaft oder Aktivität der dementen Menschen. Das sechste Bedürfnis dementer Menschen ist das nach Identität. Durch die Krankheit Demenz wird das Identitätsgefühl stark bedroht, so dass der Wunsch nach identitätserhaltenden Maßnahmen besonders ausgeprägt ist. Die Befriedigung der genannten Bedürfnisse ermöglicht es dem dementen Menschen, sich als Person wahrzunehmen und positive Gefühle (sich wertvoll und geschätzt zu fühlen) zu erleben (vgl. Kitwood, 2000, S. 121-125).
Laut Kitwood hängt die Pflegequalität in der Demenzbetreuung primär von der Qualität der Pflegebeziehung und der Interaktionsfähigkeit des Pflegepersonals ab. Positive Interaktion ist in seinen Augen "die wahrhaft heilende Komponente der Pflege." (Kitwood, 2000, S. 195). Kitwood führt unterschiedliche Arten der positiven Interaktion auf, die im Folgenden dargestellt werden (vgl. Kitwood, 2000, S. 133-137):
· Anerkennen: Der demente Mensch wird als Person anerkannt, dies kann verbal (z.B. jemanden grüßen) oder nonverbal (z.B. durch Blickkontakt) zum Ausdruck gebracht werden.
· Verhandeln: Der demente Mensch wird direkt nach seinen Wünschen und Bedürfnissen gefragt und diese werden im Betreuungsalltag berücksichtigt.
· Zusammenarbeiten: Der demente Mensch erhält die Möglichkeit, sich aktiv an der Pflege und Alltagsbeschäftigungen zu beteiligen (z.B. Haushaltsarbeiten, Körperpflege).
· Spielen: Der demente Mensch hat die Möglichkeit, an nicht zielgerichteten Aktivitäten teilzunehmen, die die Spontaneität und den Selbstausdruck fördern.
· Timalation: Interaktionen mit Hilfe von Aktivitäten, welche die Sinne ansprechen (z.B. Massage, Aromatherapie).
· Feiern: Interaktion, bei der in geselliger Stimmung ein Gefühl der Nähe und Gleichheit zwischen Betreuten und Betreuern aufkommt.
· Entspannen: Demente Menschen können oft nur in Gesellschaft oder bei Körperkontakt entspannen.

Drei weitere Interaktionsformen sind psychotherapeutisch ausgerichtet. Dazu zählen:
· Validation: Die subjektive Realität und die Gefühle einer Person werden anerkannt und die Kommunikation findet auf der Gefühlsebene statt.
· Halten: Das Schaffen einer Atmosphäre, die einer Person den Halt und die Sicherheit bietet, auch negative Emotionen auszudrücken.
· Erleichtern: Handlungen einer dementen Person unterstützen, aber nur soweit, wie es notwendig ist.

Die folgenden Interaktionsarten sind Beispiele für Interaktionen, die von dem dementen Menschen ausgehen:
· Schöpferisch sein: Die demente Person bietet spontan eine Interaktion an (z.B. singen, tanzen).
· Geben: Die demente Person bringt ihre persönliche Beziehung zu einer Betreuungskraft zum Ausdruck (z.B. Zuneigung, Dankbarkeit).

Die Umsetzung der oben genannten positiven Interaktionsarten hängt überwiegend von den äußeren Arbeitsbedingungen der versorgenden Organisation, welche das Wohlbefinden der Pflegekraft beeinflussen (siehe oben) und von der Person selbst ab. Kitwood ist der Auffassung, dass nicht jeder für die Betreuung dementer Menschen geeignet ist. Das wichtigste Kriterium stellt für ihn die grundlegende Einstellung und Haltung einer Person dar.
Des weiteren spielt die Interaktionsfähigkeit einer Pflegeperson eine entscheidende Rolle. Diese ist stark von der Fähigkeit der Person geprägt, dem Betreuten "freie Aufmerksamkeit" zu schenken, d.h. "für eine andere Person ohne Ablenkung von außen und Störung von innen präsent zu sein und den anderen mit weitaus weniger Verzerrung, Projektionen und von Vorurteilen getragenen Reaktionen, wie sie echte Begegnungen oft hemmen, wahrzunehmen." (Kitwood, 2000, S. 172). Dies kann erst dann gelingen, wenn eine Auseinandersetzung mit den eigenen emotionalen Belastungen und dem eigenen Lebenskonzept, worunter er die Entwicklung von Verhaltensmustern seit der Kindheit fasst, stattgefunden hat. Außerdem muss sich die Betreuungsperson selbst wohlfühlen, offen und flexibel sein und nicht als "kontrollierend-kritisches Elternteil" gegenüber dem dementen Menschen agieren (Kitwood, 2000, S. 174). Die Fähigkeit zur Empathie gehört ebenfalls zu den Voraussetzungen einer positiven Interaktion. Empathie bedeutet für Kitwood nicht die Fähigkeit, das zu fühlen, was eine andere Person fühlt, sondern ein Verständnis für das Erleben und Leben eines dementen Menschen zu haben. Das Bewusstsein von eigenen demenzartigen Erfahrungen, wie z.B. das Gefühl des Verlassenseins oder der Machtlosigkeit, erleichtern es der Pflegekraft, die Gefühle einer dementen Person zu verstehen.

Der von Kitwood entwickelte Ansatz der personenzentrierten Pflege stellt die Einzigartigkeit der Person in den Mittelpunkt, und der Erhalt und die Stärkung des Personseins ist sein oberstes Ziel in der Betreuung dementer Menschen. Die aus diesem Konzept resultierende Grundhaltung gegenüber Demenz und dementen Menschen und die "positive Arbeit an der Person" bilden die Basis für den Wandel der "alten" in eine "neue" Pflegekultur (vgl. Kap. 6.1).
Ein weiterer elementarer Bestandteil des personenzentrierten Ansatzes ist das von Kitwood entwickelte Dementia Care Mapping-Verfahren.

5.7.3 Dementia Care Mapping
Das Verfahren des "Dementia Care Mapping" (DCM) wurde von Tom Kitwood und einer Arbeitsgruppe zur Qualitätssicherung in der Demenzpflege an der Universität Bradford entwickelt. Es bestimmt anhand standardisierter Parameter das relative Wohlbefinden, bzw. das Unwohlsein Demenzerkrankter, da sich diese Personen darüber selbst nicht gut äußern können. DCM dient "diesem Personenkreis sozusagen als Sprachrohr" (Strunk-Richter, 2001). Dabei soll der Pflegeprozess möglichst detailliert erfasst und eine "landkartenähnliche Darstellung des Verhaltens von Menschen mit Demenz" (Strunk-Richter, 2001) erstellt werden. Die gesammelten Daten geben dann Auskunft über Wohlbefinden und Zufriedenheit der dementen Menschen. Anwendung findet dieses Verfahren in stationären und teilstationären Einrichtungen der Altenhilfe. Als Evaluierungsinstrument der Pflegepraxis dient es einerseits dazu, den Ist-Zustand festzustellen, es eignet sich bei wiederholtem Einsatz andererseits aber auch sehr gut dazu, Änderungen zu dokumentieren und zu evaluieren (vgl. Strunk-Richter, 2001).
Ziel des DCM ist die Steigerung des Wohlbefindens dementer Menschen durch die Verbesserung der Pflegequalität, da die Messung durch ihre Möglichkeit, den Pflegeprozess gezielt und kontinuierlich zu beobachten, Anhaltspunkte gibt, wie die Pflege verbessert werden kann. Dahinter steht die Grundhypothese, dass Pflegequalität über das Wohlbefinden der Betreuten indirekt gemessen werden kann. "Wenn es dem Menschen mit Demenz relativ gut geht, dann ist dies ein wesentliches Kriterium für eine gute Pflegequalität." (Müller-Hergl, 2001b)
Personen, die DCM durchführen, werden "Mapper" (Abbildner) genannt. Sie beobachten eine demente Person, bzw. Personen und den Pflegeablauf in einer Einrichtung der Altenhilfe kontinuierlich für mindestens sechs Stunden. Als Mapper kommen Personen mit unterschiedlicher Ausbildung, z.B. Pflegekräfte (jedoch nicht von der Einrichtung, die "gemappt" wird), in Frage. Sie sollten die formale Qualifikation zum Mapper durch Ausbildung bzw. Schulung erlangt haben, als noch wichtiger wird aber "Kommunikationsfähigkeit, Gruppengespür, Bereitschaft, sich auseinanderzusetzen" erachtet, denn "wenn die Mapper sich nicht um die Pflegenden kümmern, dann kümmern sich die Pflegenden auch nicht um die Daten des Mappers." (Müller-Hergl, 2001b).

Praktische Anwendung
Alle fünf Minuten wird das Verhalten der beobachteten Personen (jede Person separat) vom Mapper nach einem bestimmten System kodiert. Dieses Kodierungssystem umfasst 24 Kategorien, die Wohlbefinden oder Unwohlsein spiegeln, wie beispielsweise

· C (cool): Sozial unbeteiligt, in sich gekehrt
· E (expression): Kreativ beschäftigt, Selbstausdruck
· L (labour): Mitarbeiten
· U (unresponded to): Kommunikationsversuch ohne Antwort

Jeder Verhaltenskategorie wird ein Wert (+5, +3, +1, -1, -3, -5) zugeordnet, wobei der Wert +5 ein hohes Wohlbefinden und der Wert -5 ein hohes Unwohlsein ausdrückt
Ergänzt wird die Datensammlung durch Beobachtungen von "Personal Detractions", d.h. Verhaltensweisen von Betreuungspersonen, die das Personsein eines dementen Menschen untergraben und sich negativ auf dessen Wohlbefinden auswirken. Diese entsprechen den 17 depersonalisierenden Tendenzen, die in Kapitel 5.7.1 näher erläutert wurden. Sie werden vom Mapper bewertet (mild, mäßig, schwer, sehr schwer) und notiert. Daneben werden auch besonders positive Ereignisse (z.B. Interaktionen, die das Wohlbefinden sichtbar steigern) schriftlich festgehalten (vgl. Strunk-Richter, 2001).
Aus den so gesammelten Daten werden verschiedene Summenwerte errechnet. Für jede Einzelperson ein "individual care score", für die beobachtete Gruppe ein "group care score" und ein Quotient für die Demenzpflege (DCQ), der die Pflegebeziehung zwischen Betreuten und Betreuern abbildet (vgl. Perrin, 1997, S. 935). "Die Analyse der Daten ist wie ein Fingerabdruck: Stärken und Schwächen im Prozess werden offenbar, Bevorzugungen bestimmter Bewohner oder Vernachlässigung anderer manifest, der Erfolg von Maßnahmen wird transparent und der Zusammenhang von Tagesstruktur und Wohlbefinden analysierbar." (Müller-Hergl, 2001b).
Zusätzlich erfolgt ein Feedbackgespräch, in dem die Messergebnisse dem Pflegeteam mitgeteilt werden und ein Handlungsplan, der Strategien zur Optimierung der Pflegequalität beinhaltet, gemeinsam erarbeitet wird. Nach einem gewissen Zeitabstand soll ein erneutes Mappen erfolgen, um die Entwicklungsziele zu überprüfen. Außerdem soll ein DCM-Verfahren durch einen dreitägigen Lehrgang für Betreuungspersonen ergänzt werden (vgl. Müller-Hergl, 2001b).
Während DCM in England weit verbreitet ist, beginnt die Einführung in Deutschland nur zögerlich. Momentan wird ein Bundesmodellprojekt zur Verbesserung der Situation Demenzkranker in Pflegeheimen durchgeführt. In diesem drei Jahre dauernden Projekt soll die Anwendung von DCM, die praktische Erprobung und Analyse des Verfahrens erfolgen. Das Projekt startete im Januar 2002 im Landkreis Marburg-Biedenkopf und dem Main-Kinzig Kreis und soll später in den Städten Aachen, Münster und Brandenburg zur Anwendung kommen (vgl. Kap. 6.2).

5.8 Kritische Betrachtung der Betreuungskonzepte
In diesem Kapitel sollen die vorgestellten Betreuungskonzepte hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Unterschiede betrachtet werden. Dies soll aus verschiedenen Blickwinkeln geschehen. Zum einen soll dargestellt werden, welche Effekte bestimmte Betreuungskonzepte in Bezug auf demente Menschen erzielen. Zum anderen soll gezeigt werden, welche Rolle der betreuenden Person in bestimmtenKonzepten zukommt. Außerdem soll die praktische Umsetzbarkeit einzelnerKonzepte bewertet werden.

5.8.1 Betreuungsmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf demente Menschen
Grundsätzlich lassen sich die Ziele der Betreuungsmaßnahmen, wie sie in den verschiedenen theoretischen Betreuungskonzepten postuliert werden, zwei Gruppen zuordnen.
Auf der einen Seite steht das Lager der "Interventionisten". Ihre Betreuungskonzepte bauen darauf, durch gezielte Maßnahmen auf Defizite und Ressourcen des dementen Menschen einzuwirken und somit das Wohlbefinden dieses Personenkreises zu bewahren, bzw. zu steigern. Diese Form der Demenzpflege steht für eine "dementengerechte Betreuung".
Auf der anderen Seite steht das Lager der "Interagierenden". Ihre Betreuungskonzepte verfolgen das Ziel, durch spezielle Interaktionen primär auf das Wohlbefinden des dementen Menschen einzuwirken. Das Wohlbefinden wirkt sich dann im zweiten Schritt positiv auf Symptome der Demenzerkrankung aus. Bei der Demenzpflege nach "interagierenden"Konzepten handelt es sich also eher um eine "demenzgerechte Begleitung".

Zu den "Interventionisten" zählen meiner Einschätzung nach die das Realitätsorientierungstraining, die Milieutherapie, die Selbst-Erhaltungs-Therapie und die Biographiearbeit.


Realitätsorientierungstraining
Auf das Ziel, kognitive Fähigkeiten zu steigern und Orientierung (zeitliche, personelle, örtliche) zu verbessern wirkt die Intervention "orientierungsunterstützende Maßnahmen" (vgl. Kap. 5.1) hin.
Das ROT war im Prinzip der erste klare Versuch der positiven Interaktion mit dementen Menschen und Ausdruck dafür, "daß es die Mühe lohnt zu versuchen, sie zu einer 'normalen' Lebensweise zurückzuführen" (Kitwood, 2000, S. 87). Mit der Entwicklung des ROT wird erstmals die Einzelperson mit Demenz berücksichtigt und nicht nur die Krankheit Demenz gesehen. Nachteile sind, dass es leicht zur Überforderung der Demenzerkrankten kommen kann, wenn sie mit Zwang aus ihrer subjektiven Realität herausgerissen und mit ihren Defiziten konfrontiert werden. Unter anderem ist das ROT aus diesem Grund recht umstritten.
Forschungsergebnisse zeigen letztlich kaum positive Auswirkungen des ROT. J. T. Dietch führt aus, dass positive Effekte lediglich in Form einer gesteigerten verbalen Orientierung nachzuweisen sind (vgl. Dietch, 1989, S. 974). "For those patients with dementia, the constant relearning of the material necessary to remain oriented is a difficult task that can lead to frustration, anxiety, depression, and a lowering of selfesteem." (Dietch, 1989, S. 974).
M. People fand in einem Vergleich der Auswirkungen von ROT und Validation in einem Pflegeheim weder positive noch negative Auswirkungen durch die Anwendung von ROT (vgl. Feil 2000, S. 41).
Naomi Feil beschreibt negative Erfahrungen bei der Anwendung des ROT: "Ich gab das Ziel der Orientierung auf die Realität auf, als ich bemerkte, daß die Gruppenmitglieder sich immer dann zurückzogen oder zunehmend feindselig wurden, wenn ich sie mit der unerträglichen Realität der Gegenwart zu konfrontieren versuchte." (Feil, 2000, S. 9)
Heute findet das ROT als alleiniges Konzept kaum noch Anwendung, da der korrigierende Ansatz sich auf den dementen Menschen belastend auswirkt (vgl. Baier, 2001, S. 392).

Milieutherapie
Ziel der Milieutherapie ist die Kompensation von Defiziten durch die Intervention "Umweltanpassung" (soziales Milieu, Tagesstrukturierung, räumliches Milieu). Dabei wird die Umgebung der Demenzerkrankten entsprechend ihrer Defizite und Ressourcen gestaltet.
Die Milieutherapie stellt ein sehr umfassendes Konzept dar, welches viele Teilaspekte der Demenz und des Individuums (biographieorientiert, kompetenzorientiert) berücksichtigt. Negativ kann der primär defizitäre Ansatz eingestuft werden, der an der eingeschränkten Umweltkompetenz ansetzt. Somit richtet sich das Augenmerk vor allem auf das, was der Betroffene nicht mehr kann und nicht auf die Fähigkeiten, die ihm noch erhalten geblieben sind, was meiner Ansicht nach genau umgekehrt sein sollte.
Die Milieutherapie ist in der praktischen Umsetzung oft nur ein Bestandteil in der Betreuung dementer Menschen, das bedeutet, dass oft nur Teilbereiche der Milieutherapie in der Praxis berücksichtigt werden. Für Untersuchungsergebnisse hat dies zur Folge, dass oft keine genauen Rückschlüsse auf die ursächliche Wirkung der Milieutherapie hinsichtlich des Wohlbefindens der Demenzerkrankten gezogen werden kann. So ist im Projekt "Seniorenheim Polle" und im "Hamburger Modellprojekt" die Milieutherapie jeweils Teil des Gesamtkonzepts. In beiden Projekten wird eine allgemeine Steigerung des Wohlbefindens der Betreuten beschrieben, der Anteil der Milieutherapie an diesem Effekt ist aber nicht genau definierbar. Direkte Studien zur Milieutherapie belegen aber deren positive Auswirkungen (mehr Aktivität, Kommunikation, weniger Unruhe, "Katastrophenreaktionen") (Heeg, 2001, S. 110). Wenige Studien untersuchten die Auswirkungen des architektonisch-baulichen Milieus. Es konnte aber der positive Effekt von Orientierungshilfen und "Szenarien mit Aufforderungscharakter", wie z.B. Speisesaalmöblierung (positive Auswirkung auf Kommunikation und Essverhalten) oder "dementengerechte" Beleuchtung (stimmungsaufhellend, aggressionsdämpfend) gezeigt werden (Wojnar, 2001c, S. 156f.).

Selbst-Erhaltungs-Therapie und Biographiearbeit
Ziel beiderKonzepte ist es, die Identität, die durch die Erkrankung Demenz bedroht ist, zu erhalten. Dazu werden sogenannte "identitätsstabilisierende" Interventionen eingesetzt, welche das Erhalten des personalen Selbst anstreben.
BeidenKonzepten ist gemeinsam, dass man sie als ressourcenorientierte Ansätze einstufen kann, wobei ein zentraler Aspekt die Stützung des Langzeitgedächtnisses ist. Insgesamt gesehen steht bei beiden Modellen, die jeweils einen sehr umfassenden Ansatz darstellen, das Individuum im Mittelpunkt.
Als negativ kann sich die Konfrontation der Betroffenen mit der Vergangenheit auswirken, da hieraus eine Überforderung resultieren kann. Ähnliches gilt auch für die zur SET gehörende Konfrontation mit der Diagnose "Demenz", da die Auswirkung dieses Vorgehens schwer kalkulierbar und sehr stark von der Einfühlsamkeit des Anwenders abhängig ist. Zusätzlich wird bei der SET eine eher "künstliche" Atmosphäre, besonders durch die Verwendung von Videoaufnahmen, geschaffen.
Die Effektivität beiderKonzepte ist stark sympathieabhängig, da die Betreuten über sich selbst erzählen sollen und sie bedürfen intensiver Unterstützung durch die Angehörigen, insbesondere bei Demenzerkrankten im fortgeschrittenen Stadium.
Zur Evaluation der SET liegen noch keine kontrolliert durchgeführten Studien vor. Es gibt aber den Zwischenbericht einer Studie, in der die Erfahrungen beim stationären Einsatz der SET veröffentlicht wurden. In dieser Untersuchung wurde die unmittelbare Wirkung von durchgeführten Behandlungen durch eine Erhebung vor Beginn der Behandlung und vor der Entlassung (ca. 3 Wochen Zeitintervall) ermittelt. Es wird über eine signifikante Verbesserung der Stimmung, signifikante Reduktion der Depressivität und Abnahme von Verhaltensauffälligkeiten (Unruhe, Aggressivität, unkooperatives Verhalten, Antriebsmangel) berichtet.
Die Erfahrungen, die im ambulanten Bereich mit der SET gemacht wurden, zeigen einen verlangsamten Krankheitsverlauf, geringere Depressivität und die Zunahme der sozialen und selbständigen Freizeitaktivitäten.
Biographiearbeit ist oft Bestandteil andererKonzepte, weshalb es schwierig ist, ihre direkten Auswirkungen zu erfassen. Es zeigen sich aber positive Ergebnisse in Bezug auf die Kommunikationsfähigkeit (vgl. Kitwood, 2000, S. 88).

Zu den "interagierenden" Betreuungskonzepten zählen meiner Ansicht nach die Validation, die Integrative Validation und der personenzentrierte Ansatz nach Kitwood.

Validation
Ziel ist es, demente Menschen beim Lösen von unausgetragenen Konflikten aus ihrer Vergangenheit zu begleiten, damit sie ihren "Seelenfrieden" erlangen können. Dies ist primär eine Unterstützungsaufgabe, da davon ausgegangen wird, dass der demente Mensch weiß, was gut für ihn ist (Weisheit des alten Menschen). Die Interaktionen findet über die direkte Kommunikation, das "In-Beziehung-Treten" mit dem Demenzerkrankten, statt.
Positive Inhalte sind, dass der demente Mensch ernst genommen wird und sich die Interaktion an der subjektiven Realität und den Bedürfnissen des Einzelnen orientiert. Die Grundhaltung gegenüber dem Betreuten ist geprägt von Achtung, Würde, Empathie, Respekt und Ehrlichkeit.
Negativ fällt vor allem das schwache theoretische Gerüst, auf dem das Konzept der Validation aufbaut, ins Gewicht: "Wie bei der Realitätsorientierung fällt es auch bei Feils Arbeit leicht, sie lächerlich zu machen." (Kitwood, 2000, S. 88). Dies betrifft sowohl die einseitige Interpretation von Verhalten und Gefühlen dementer Menschen, als auch die aus psychoanalytischen Modellen entlehnten, in diesem Zusammenhang eher fragwürdigen Interpretationen von Symbolen (z.B.: Socke = Kind, mächtiger Sessel = Penis, Mann, Ehemann, Sex).
Einschränkungen erfährt die Validation durch die Definition der Zielgruppe, da nur über 80jährige berücksichtigt werden und auch die abwertende Haltung gegenüber medizinischen Diagnosen erschwert die Akzeptanz der Methode. Zusätzlich wird durch die Einstellung gegenüber der präsenilen Demenz, die nach Feil nicht positiv beeinflusst werden kann, die Größe der Zielgruppe noch einmal reduziert.
Obwohl sich das Konzept eigentlich auf das eigenständige Individuum konzentriert und Hilfestellung beim Lösen von "Lebensaufgaben" geben soll, kann es durch die einseitige und einheitliche Interpretation von Desorientierung, Gefühlen und Verhaltensweisen Demenzerkrankter schnell dazu kommen, dass Umweltfaktoren und die aktuelle Situation des dementen Menschen weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Die recht strikte Stadieneinteilung unterbindet bei konsequenter Umsetzung ebenfalls den Individualitätsanspruch der Betreuten. Es fehlt außerdem die Förderung von alltagsnahen Kompetenzen und somit der Selbständigkeit.
Zur Validation liegen kaum Forschungsergebnisse vor. Einige wenige empirische Untersuchungen berichten über Erfolge durch ihre Anwendung. Naomi Feil beruft sich hauptsächlich auf ihre eigenen Erfahrungen in der praktischen Anwendung von Validation und auf eine von ihr 1971 durchgeführte Untersuchung, die folgende Ergebnisse in Bezug auf desorientierte Menschen hatte: "Sie wurden weniger inkontinent, das störende Verhalten (schreien, schlagen) nahm ab, das positive (lächeln, sprechen, anderen helfen) nahm zu; sie wurden sich ihrer Außenwelt bewusster, sprachen auch außerhalb von Gruppentreffen miteinander und waren zufriedener." (Feil, 2000, S. 40).
Feil führt weitere Untersuchungen an, welche die Erfolge der Validation belegen, geht jedoch nicht näher auf einzelne Untersuchungsmethoden ein. Sie nennt unter anderem Stan Alprin (1980), Paul A. Fritz (1986), Jean Prentczynski (1991), James T. Dietch (1989) und Colin Sharp (1989) (vgl. Feil, 2000, S. 40-42). Allerdings sind die überprüften "Studien" methodisch eher zweifelhaft, so besteht beispielsweise die Untersuchung von J. T. Dietch nur aus einem case-report mit drei Beispielen, und die "Schlussfolgerungen" sind äußerst vage formuliert: "Despite positive anecdotal reports, there is still no controlled research assessing the efficacy of VT [Validation Therapy]." (Dietch, 1989, S. 976).

Integrative Validation
Das Ziel der von Nicole Richard entwickelten IVA ist es, Ressourcen dementer Menschen zu aktivieren, mit ihnen in Kontakt zu treten und die Kommunikation zu fördern. Die Interaktion konzentriert sich daher auf die Anwendung adäquater Kommunikationstechniken.
Die IVA, die aus dem Konzept von Naomi Feil weiterentwickelt wurde, ähnelt diesem in vielen Aspekten. Dies betrifft vor allem die Grundhaltung (Ernstnehmen, Wertschätzung, Akzeptieren) gegenüber Demenzerkrankten und den biographieorientierten individuellen Zugang. Das Konzept hebt sich aber meiner Meinung nach durch einige Änderungen sehr positiv von der Validationsmethode nach Feil ab. Grundsätzlich anders ist der Ansatz, der in diesem Fall ressourcenorientiert ist und der Verzicht auf eine strenge Stadieneinteilung, wodurch ein individueller Zugang tatsächlich möglich wird. Die Validation ist sich zwar in beiden Ansätzen sehr ähnlich, bei der IVA wird jedoch im Unterschied zu Feil auf eine ständige Interpretation des Verhaltens vor dem Hintergrund der Biographie verzichtet.
Eine deutliche Einschränkung erfährt das Konzept durch den Schwerpunkt auf der Kommunikationstechnik, da es aus diesem Grund nur für Demenzerkrankte im Anfangsstadium geeignet ist, mit denen eine ausreichende verbale Kommunikation möglich ist.
Forschungsergebnisse, die nicht von Nicole Richard stammen, sind in der einschlägigen Literatur nicht zu finden. Sie selbst berichtet über positive Erfahrungen, z. B. veränderte Verhaltens- und Äußerungsformen (weniger Stress, kontaktfähiger, zufriedener) (vgl. Richard, 2001a, S. 59).

Personenzentrierter Ansatz
Die Förderung des Wohlbefindens dementer Menschen durch Erhalt des Personseins ist das Ziel des personenzentrierten Ansatzes, der von Tom Kitwood entwickelt wurde. Die Interaktion dient sowohl der Bedürfnisbefriedigung als auch einer Verbesserung der Pflegebeziehung.
Positiv kann bewertet werden, dass in diesem Konzept die einzigartige Person und nicht die Krankheitssymptomatik im Mittelpunkt steht. Trotz einer eher kritischen Einstellung zum "medizinischen Blickwinkel" wird dieser aber nicht grundsätzlich abgelehnt. Zusätzlich ist dieses Konzept das einzige, welches die Erkrankung Demenz auch als gesellschaftliches Problem betrachtet und daher einen sehr umfassenden Ansatz bietet.
Als Schwerpunkt lässt sich das "In-Beziehung-Treten" mit einer dementen Person herausstellen, gleichzeitig kann aber als negativ gewertet werden, dass andere Aspekte der Betreuung (z.B. räumliche Gestaltung) kaum angesprochen werden.
Nach Kitwood selbst ist der Forschungsstand zum personenzentrierten Ansatz bisher unzureichend. Es gibt jedoch Studien, die positive Auswirkungen der personenzentrierten Pflege belegen. Dazu zählen zum Beispiel Publikationen von Janet Bell und Iain McGregor (1991, 1995), die über Stabilität im Krankheitsverlauf und hohe Grade des Wohlbefindens berichten, sowie eine Untersuchung von Ann Netten (1993), die eine signifikant bessere örtliche Orientiertheit, geringere soziale Gestörtheit und geringere Grade an Apathie fand. Die Bradford Dementia Group wies 1995 in einer Querschnittstudie in 26 Pflegeheimen und 51 Einrichtungen für betreutes Wohnen hohe Grade an Wohlbefinden beim Einsatz dieses Konzepts nach.
Karlson et al. (1988) und Brane et al. (1989) konnten signifikant positive Veränderungen bei psychologischen und neurochemischen Variablen nachweisen. Kitwood selbst führte eine retrospektive Studie durch, in der er positive Auswirkungen der personenzentrierten Pflege auf das Wohlbefinden dementer Heimbewohner betont (vgl. Kitwood, 2000, S. 95-98).

5.8.2 Die Rolle der betreuenden Personen
Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den verschiedenenKonzepten, wenn sie unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, welche Rolle die betreuende Person (und ihr Wohlbefinden) als Voraussetzung für eine adäquate Dementenpflege spielt.
So existieren Betreuungskonzepte, die ihre Umsetzung stark an die Betreuungsperson koppeln. DieseKonzepte konzentrieren sich auf den Betreuer, der Wohlbefinden nur an demente Menschen "vermitteln" kann, wenn auch sein eigenes Wohlbefinden berücksichtigt wird.
Im Gegensatz dazu stehen die Betreuungskonzepte, in denen die Betreuungsperson eher eine Nebenrolle spielt. DieseKonzepte konzentrieren sich primär auf die Demenzerkrankten, und eine höhere Arbeitszufriedenheit des Personals ist eher ein Nebeneffekt der Umsetzung des Konzepts.

Zu denKonzepten, in denen der Betreuer die Hauptrolle zugewiesen bekommt, gehören meines Erachtens die Validation und die personenzentrierte Pflege.
Im Prinzip ist bei der Validation die spezielle Technik nachrangig, als wichtig werden vor allem Haltung und Eigenschaften von Validationsanwendern, wie Ehrlichkeit, Respekt vor der "Weisheit der alten Menschen" (Feil, 2000, S. 35), Empathie (in das Leben des anderen schlüpfen) angesehen. Naomi Feil nennt als beste Voraussetzungen des VA beispielsweise, selbst schon demenzähnliche Zustände erlebt zu haben (z.B. Verlusterlebnisse). Für die zentrale Rolle des Betreuers spricht auch, dass Feil ganz klar formuliert, dass nicht jeder als VA geeignet ist.
Studien zeigen, dass aus der Anwendung von Validation eine geringere Fluktuation des Personals (vgl. Feil, 2000, S. 41f.) resultiert, was an der prominenten Rolle liegen kann, die dem Pflegepersonal bei diesem Konzept zugewiesen wird.
Beim personenzentrierten Ansatz wird von vorneherein als Grundvoraussetzung gefordert, dass sich die Betreuungsperson wohlfühlt und ihr eigenes Lebenskonzept aufgearbeitet hat, um mit dementen Personen eine zwischenmenschliche Beziehung aufbauen und Empathie zeigen zu können. Betont wird außerdem, dass das Wohlbefinden der Mitarbeiter stark von der Unterstützung der "für- und versorgenden Organisation" abhängt (vgl. Kap. 5.7.1).
Eine Folge dieser Maßnahmen und Bedingungen ist eine hohe Arbeitszufriedenheit von Betreuern, die nach dem personenzentrierten Ansatz arbeiten.

Zu denKonzepten, in denen das betreuende Personal eher die "Nebenrolle" zugeschrieben bekommt, beziehungsweise "Medium" zur Umsetzung des Konzepts ist, gehören meiner Auffassung nach das Realitätsorientierungstraining, die Milieutherapie, und die Selbst-Erhaltungs-Therapie (bzw. die Biographiearbeit).
Für die praktische Umsetzung des ROT ist ein sogenanntes Einstellungstraining des Personals ausschlaggebend (vgl. Kap. 5.1). Daraus soll sich eine höhere Arbeitszufriedenheit der Betreuer ergeben. "In fact, one of the original purposes of RO[T] was to give staff a sense of 'doing something' with patients that have bleak futures." (Dietch, 1989, S. 974). Andererseits zielen diese Maßnahmen aber nicht auf den Betreuer direkt ab, sie sollen ihn aber dazu bringen, den Umgang mit den Betreuten zu verbessern.
Voraussetzung für die Umsetzung der Milieutherapie ist ein gutes Arbeitsmilieu, da nur so die Schaffung eines dementengerechten Milieus möglich ist. Biographiewissen, räumliches Milieu und Beziehungspflege sind Anforderungen an den Betreuer zur Verbesserung der Pflege. Auf den Betreuer bezogene Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz wie bewältigbare Pflege- und Betreuungsaufgaben, pflegerische Gestaltungsautonomie, fachbezogene Weiterbildung und praxisnahe Fallbesprechung dienen zwar dem Betreuer, ihr Ziel ist aber weniger dessen persönliches Wohlbefinden, sondern eher die Sicherstellung der Arbeitsleistung. Kempe et al. (1992, 1993) beschreiben in diesem Zusammenhang, dass die Arbeit mit Dementen psychisch sehr belastend sei und diese Belastung auf Dauer nicht bewältigt werden könne. Daher müsse die Möglichkeit des Berufswechsels gegeben sein (vgl. Lind, 2001, Kap. 2.2).
Dies spricht nicht unbedingt für eine optimale Unterstützung der Mitarbeiter.
In der SET ist die Aufgabe des Betreuers die Unterstützung des Betreuten. Im Konzept finden sich keine Aussagen über professionelle SET-Anwender. Arbeitsbedingungen oder Voraussetzungen werden nicht erwähnt. Es wird lediglich bemerkt, dass bei der Einführung von SET in teilstationäre Einrichtungen eine Supervision erfolgen soll.
Die IVA stellt gewissermaßen den Mittelweg dar. Einerseits ist die Anwendung von IVA für den Anwender sehr effektiv. Durch die Verbesserung des Umgangs mit dementen Menschen und ein personenbezogeneres Arbeiten kommt er in eine persönlichere, individuelle Beziehung zu den Betreuten, was seinen Stellenwert in der Betreuung erhöht. Für die prominentere Rolle des Betreuers sorgen auch die aus der Validation übernommenen Grundlagen, beispielsweise dass die Grundhaltung zum dementen Menschen wichtig ist. Andererseits berücksichtigt die IVA, insbesondere im Vergleich zur Validation, stärker die konkreten Bedürfnisse der Betreuten. Insgesamt ist die IVA ein sehr teamorientiertes Konzept mit "Werkstattcharakter", d.h. ihre Umsetzung richtet sich nach Ressourcen des Teams und den äußeren Rahmenbedingungen der Einrichtungen (z.B. Förderung der Teamarbeit, Biographiearbeit, Einbindung in Dokumentation, Weiterführung und Begleitung der Mitarbeiter) (vgl. Richard, 2001a, S. 60).
Meiner Meinung nach wird dieses Konzept momentan Betreuten und Betreuern gleichermaßen gerecht und bietet eine gute Mischung der Anforderungen für beide Gruppen.

5.8.3 Umsetzbarkeit
Zum Schluss soll in aller Kürze herausgestellt werden, wie es um die praktische Umsetzbarkeit der einzelnenKonzepte bestellt ist.

Da bei dem ROT das gesamte Personal das Konzept anwenden sollte, ist eine umfangreiche Vorbereitung (Schulung des Personals) unumgänglich. Das stellt für die praktische Umsetzung eine große Hürde dar.
Wenig aufwändig ist im Gegensatz dazu das 24-Stunden-ROT (Orientierungshilfen, z.B. große Uhren, Kalender, Namensschilder und "realitätsorientierende Kommunikation" während der normalen Pflege), das bezogen auf Zeit, Personal und Kosten in der Umsetzung sehr sparsam ist.
Für die Milieutherapie ist wegen des geforderten Zusammenwirkens aller Umweltkomponenten (Bau, psychosoziales Milieu, Organisation) bei konsequenter Einführung mit einem maximalen Aufwand und maximalen Kosten, besonders durch die baulichen Maßnahmen, zu rechnen. Aus diesem Grund ist eine konzeptgerechte Umsetzung nicht zu erwarten.
Die SET fordert das spezialisierteste Personal und ist daher vor allem von Personal bzw. Personalkosten abhängig, zu denen sich Schulungen und Supervision addieren.
Ebenso wie bei ROT und Milieutherapie ist die flächendeckende bzw. konzeptgetreue Einführung dieser Betreuungsmaßnahmen momentan wie auch in Zukunft nicht vorstellbar.

Im genauen Gegensatz dazu steht die individuelle Validation nach Feil. Sie selbst beschreibt, dass jeder, der geeignet sei, bei seiner Arbeit validieren könne, wenn er mit dementen Menschen in Kontakt kommt. Dies könne auch die Putzfrau sein, die das Zimmer säubert oder der Gärtner, wenn er den Rasen mäht. Dazu kommt, dass der VA nicht von äußeren Ressourcen abhängig sind, mit Ausnahme der Validation in Gruppen. Die Anwendung des Konzepts ist daher zu jedem Zeitpunkt und ohne finanziellen Aufwand möglich.
Aufwändiger sind die Integrative Validation und der personenzentrierte Ansatz. Hier dürften Kosten vor allem im Bereich der Ausbildung von Personal anfallen. Positiv ist jedoch, dass dieseKonzepte in einem Heim auch für Teilbereiche eingeführt werden können und dass die Möglichkeit einer stufenweisen Einführung besteht, so dass sich die Umsetzung an die äußeren Gegebenheiten anpassen lässt. BeideKonzepte haben aus diesem Grund meiner Meinung nach die besten Chancen, aus dem Stadium des Modellversuchs herauszukommen und eine weitere Verbreitung zu finden, wie dies beim personenzentrierten Ansatz im Prinzip in England schon der Fall ist.

 
   
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